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Geneigter Leser
Ist den aoser Sproch verbotte
oder s Schwäbisch so verstaubt
alt ond rostig zom Verschrotte?
Geits no Schwobe überhaupt?
Sebastian Blau (aus: Dr letzt Schwob) |
Herder definiert 1772 die Mundart als "Natursprache", der
er die Hochsprache als "Kunstprache" gegenüber stellt.
Wenn wir Mundart als Natursprache anerkennen und einsehen, dass aus
den Mundarten und Landsprachen erst in einem unsäglich langwierigen
Prozess die deutsche Hochsprache, sich entwickelt hat, dann wissen
wir erst das Resultat, nämlich unsere Hochsprache recht zu schätzen
und unsere Mundarten recht zu würdigen.
Beide haben ihre ganz eigenen Domänen: Mundart in öffentlicher
Rede fällt auf, Hochsprache im vertrauten Kreis erheitert.
Dass man seit Beginn der Dialektologie irrtümlich annimmt, unsere
Mundarten seien unmittelbar vom Aussterben bedroht, liegt darin begründet,
dass immer mehr Menschen "zweisprachig" werden, dass sie
in der Lage sind, ihr Reden der Situation anzupassen, dass sie als
offizielle Sprache eine landschaftliche Hochsprache sprechen können
aber im Bereich der Familie, der Gruppe, des Dorfs, der Kleinstadt
oder des Stadtteils noch die dort übliche Mundart.
Jede der beiden Sprachformen hat dort, wo sie hingehört, unbestreitbare
Vorzüge. Es gelingt nicht, Sachverhalte hoher Abstraktion in
der dafür nicht ausgerüsteten Mundart darzustellen. Umgekehrt
ermangelt die Hochsprache mancher "Herz-Töne"! Direktheit
und Bildhaftigkeit, Drastik und Anschaulichkeit der Mundart, ihr großer
Schatz an Formeln und Sprüchen, ihre Konkretheit, ihre Intimität
machen sie zur Sprache der Nähe, der "Heimat".
Einer, der wie kein anderer die Klaviatur des schwäbischen Dialektes
und der Hochsprache, ja sogar der alten Sprache Latein beherrschte,
war der Rottenburger Josef Eberle, der als schwäbischer Mundartpoet
unter dem Pseudonym Sebastian Blau zu Lebzeiten und auch heute noch
allergrößte Beliebtheit erfuhr. Im vergangenen Jahr wäre
er 100 Jahre alt geworden. Dieses Jubiläum ist in hinreichendem
Maße in Rottenburg, seiner Heimatstadt, und in Stuttgart, seiner
Wirkungsstätte als Journalist und Herausgeber der Stuttgarter
Zeitung, gewürdigt worden.
Der Verein schwäbische mund.art e.V. hat gemeinsam mit der Brauerei
Dinkelacker-Schwaben Bräu den Sebastian-Blau-Preis für schwäbische
Mundart ausgeschrieben. Autoren, Musikern, Kabarettisten und anderen
schwäbischen Mundartkünstlern wurde damit eine Plattform
geboten, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Schwäbisch
in allen Ausprägungen, regionalen und lokalen Ausformungen soll
auch in Zeiten der Globalisierung für die Kommunikation unter
und mit Schwaben existenziell sein. Der Sebastian-Blau-Preis für
schwäbische Mundart will nicht nur diesen großen schwäbischen
Ausnahmepoeten ehren; er soll auch das Bewusstsein für den Wert
des schwäbischen Dialektes in der Öffentlichkeit schärfen
und stärken. Mit 182 Einsendungen hat die Ausschreibung einen
tollen Erfolg gehabt. Die besten Arbeiten wurden in dem Buch "s
menschelet" nun publiziert (Rezension und Bilder von der Preisverleihung
siehe Rezensionen).
Also Leit, schwätzat en eierm Dialekt, die Reigschmneckte
sollat sich halt astrenga, dasse ebbes verstandat!
Herzlichst Ihr
Wulf
Wager
Redaktionsleiter
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