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Berichte
Schwülwarmes "Danzbodaglüha" und feuchter Volksmusiktag in Neuhausen ob Eck
Besucheranstieg in den Freilichtmuseen im Land
Deutsche Fahnenschwinger-Meister kommen aus Konstanz und Paderborn
Villinger Trachten für das Schwarzwälder Trachtenmuseum
25 Jahre LAG Tanz BW
Jeder Dritte im Land engagiert sich für Gemeinschaft
Vom Uhrmacher zum Weltmarktführer
Volksmusikbass.de
Thüringer steht an der Spitze des Deutschen Trachtenverbandes
Aus zwölf Abenden wurden letztlich 14 Jahre
Schwwäbische Sorgen um das " Gsälz"
Schwülwarmes "Danzbodaglüha" und feuchter Volksmusiktag
in Neuhausen ob Eck
Rund 30 Musikgruppen mit 200 Musikanten und Sängern begeisterten
rund 4.000 Besucher
Mehr als 30 Musikgruppen mit 200 Musikanten und Sängern haben
am Sonntag, dem 1. September zum 6. Volksmusiktag in Neuhausen ob
Eck (Kreis Tuttlingen) aufgespielt und gesungen. In der historischen
Atmosphäre des Freilichtmuseums feierten über 4.000 Besucher
mit. Vielfach wurde das Tanzbein zu Walzer und Polkatakten geschwungen.
Schon am Samstagabend begann der Volksmusiktag in diesem Jahr mit
dem "Danzbodaglühen" in sechs Gasthäusern in
Mühlheim/Donau, in Stetten und natürlich im Museumsgasthof
Ochsen. In dieser Nacht bekam so mancher Besucher heiße Füße
und eine heisere Stimme...
Weil das Ländle 50. Geburtstag feiert, haben der Landesmusikrat
Baden-Württemberg und das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck
Gäste aus an Baden-Württemberg grenzenden Regionen eingeladen.
Denn politische Grenzen sind keine kulturellen Grenzen. Der volksmusikalische
Austausch in den Grenzregionen und darüber hinaus war durch
fahrende Musikanten und Handwerker immer gegeben. Die Zuhörer
und Tänzer konnten schnell merken, dass Franken, Tiroler, Vorarlberger,
Bayrische Schwaben und Schweizer ganz ähnlich musizieren, singen
und tanzen wie Badener und Württemberger, nur halt mit einer
typischen regionalen Charakteritik. Gerade so wie beim Dialekt.
Es erklangen längst vergessene Weisen, die die Dorfmusiker
früherer Zeiten in kleinen Besetzungen auf dem Tanzboden zum
Besten gaben. Lieder (aständige und oaständige)
erklangen und haben die Wirtshaushocker zum Mitsingen animiert.
Musikanten wurden beim freien Improvisieren über die Landesgrenzen
hinaus beobachtet.
Die schwäbischen Stäffelesgeiger vermischten sich mit
der Tiroler Sunnwendmusik, die frankischen Loonharder Musikanten
mit dem schweizerischen Ländlerquartett "aarelouf",
die Muntafuner Danzbodamusig mit den badischen Kompromissbachmusikanten
und Uwe achuth mit seinen schwäbischen Wirtshausmusikanten
vermischte sich mit den Einheimischen Blasmusikern und spielte bis
zum Morgengrauen im Stettener Wirthaus Lamm auf.
Selten
wurde bei einem Gottestdienst so gelacht wie beim Schwäbischen
Mundart-Volksmusikgottesdienst am Sonntag früh. Pfarrer Friedemann
Binder aus Rechberghausen predigte über "Musik macha uf
Deifl komm raus" und sorgte mit seiner flotten Art immer wieder
für herzliche Lachsalven. Unvergesslich wird den Gottesdienstbesuchern
der 150. Psalm bleiben: "Lobet da Herra mit em Hackbrett ond
dr Harf...." Der Gemischte Chor aus Suppingen und die Tiroler
Sunnwendmusik gestalteten den Gottesdienst musikalisch.
Während am Samstagnacht der Schweiß in Strömen rann,
mussten sich die Besucher des Volksmusiktages am Sonntag warm anziehen.
Ob es die Nacht war, die den Musikanten noch in den Knochen steckte
oder das feucht-kalte Wetter, das die Stimmung ein bisschen drückte
bleibt offen. Trotzde, musizierten die 35 Musikgruppen in den Häusern
und auf den Plätzen des Dorfes, dass es eine Freude war. Chnell
erhellte sich ddie timmung bei Musikanten und den rund 4.000 Besuchern.
Da wurde zugehört, mitgetanzt, mitgesungen und mitgelacht.
Es gab keine Bühnen, keine Lautsprecher und somit keine Grenzen
zwischen Musikern, Tänzern, Sängern und Zuhörern.
Alles verschmolz zu einem lustvollen Ganzen.
Volksmusik jenseits von Kitsch und Kommerz, live und ohne doppelten
Boden, frei vom tümelnden Musikantenstadl-Playback.
Instrumentenbauer zeigten ihre Künste und Kinder konnten selbst
einfache Instrumente bauen. Wer wollte, konnte sich beim Danzkurs
vom Tanzmeister die ersten Schritte beibringen lassen.
Die Verantwortlichen waren zufrieden mit dem Ablauf der Veranstaltung,
die durch die Staatliche Toto-Lotto GmbH seit Anfang unterstützt
wurde. Das mit Mittel aus dem Geburtstagstopf des Landes erstmals
durchgeführte "Danzbodaglüha" wird wohl eine einmalige
Veranstaltung bleiben, sofern nicht ein zusätzlicher Sponsor
gefunden wird. (ww)
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Besucheranstieg in den Freilichtmuseen im Land
Steigerungsraten zwischen fünf und zehn Prozent
Die Freilichtmuseen in Baden-Württemberg haben in dieser Saison
mehr Besucher angezogen als im vergangenen Jahr. Insgesamt kamen
bisher 570.000 Gäste in die sieben Museum unter freiem Himmel.
Das entsprach Steigerungsraten zwischen fünf und zehn Prozent,
teilte der Freiluftmuseums-Verbund "Die Sieben im Süden"
am Freitag in Tuttlingen mit.
Dazu gehören das Odenwälder Freilandmuseum Gottersdorf,
das Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen, das Schwarzwälder
Freilichtmuseum Vogtsbauernhof Gutach, das Oberschwäbische
Museumsdorf, das Kreisfreilichtmuseum Kürnbach, das Freilichtmuseum
Neuhausen ob Eck und das Bauernhaus-Museum Wolfegg.
Der Grund für den Besucheranstieg liege unter anderem in den
begleitenden Veranstaltungen und Ausstellungen zum 50-jährigen
Landesjubiläum Baden-Württembergs. Die "Sieben"
hatten thematisch untereinander abgestimmte Sonderaktionen unter
dem Titel "Was machet mer jetzt? - Das Land vor 50 Jahren"
angeboten". Diese Ausstellungen sind noch bis zum Saisonende
in etwa sechs Wochen zu sehen.
Internet: http://www.landmuseen.de
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Deutsche Fahnenschwinger-Meister kommen aus Konstanz und Paderborn
12. Deutschen Meisterschaften in Rottweil
Die besten Fahnenschwinger Deutschlands kommen aus Konstanz und
Paderborn. Bei den 12. Deutschen Meisterschaften erzielten die Einzelstarter
und Gruppen der Niederburg Konstanz sowie der Fahnenschwingergesellschaft
St. Johann und Hubertus Schützenbruderschaft Paderborn-Wewer
1910 jeweils sechs Meistertitel. Schon bei vorangegangenen Meisterschaften
stellten diese beiden Mannschaften die meisten Sieger.
Rund 400 Fahnenschwinger aus ganz Deutschland ermittelten am Wochenende
in Rottweil ihre Champions. In 25 verschiedenen Kategorien von altüberlieferten
Schwüngen bis zu sportlich-modernen Choreografien traten die
Sportler an.
Für die Zuschauer bot sich vor allem am Sonntag ein farbenprächtiges
Spektakel: Bei den Gruppenwettbewerben stand den Teilnehmern die
Wahl der Kleidung und Musik völlig frei. So wurden die Fahnen
sowohl nach den Klängen von Fanfarenzügen als auch zu
Kirchen- und Hardrock-Musik geschwungen. Bei aller künstlerischen
Freiheit achteten die Wertungsrichter aber wie schon am Vortag bei
den Einzelwettbewerben streng auf Taktgenauigkeit, Sauberkeit der
Schwünge und Würfe sowie die Synchronität der Gruppen.
Das Fahnenschwingen verzeichnete nach den Worten der Veranstalter
in den vergangenen Jahren einen Aufschwung. Allein in dem 1995 gegründeten
Landesverband Baden-Württemberg sind 64 Vereine mit rund 600
Aktiven vertreten. Dabei ist das Fahnenschwingen keine Mode der
Neuzeit. Die Tradition reicht bis ins Jahr 370 zurück, als
Kaiser Valentin das Schwingen der Fahnen im Krieg einsetzte: Da
es noch keine Uniformen gab, zogen die Landsknechte hinter der Fahne
in die Schlacht - fiel die Fahne, waren die Soldaten orientierungslos
und flohen zumeist.
Mit der Einführung der preußischen Heeresordnung und
dem Aufkommen einheitlicher Uniformen geriet das Fahnenschwingen
in Vergessenheit. Einzig der militärische Rang des Fähnrichs
zeugte noch von der Tradition. In Ländern wie der Schweiz oder
Italien blieb dagegen das Fahnenschwingen als Kulturgut erhalten.
In Deutschland wurde - von vereinzelten Gruppierungen abgesehen
- erst um 1950 die alte Kunst wieder stärker belebt.
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Villinger Trachten für das Schwarzwälder Trachtenmuseum
Dauerleihgaben wurden persönlich übergeben
Museumsleiter Alois Krafczyk hat allen Grund zur Freude, denn sein
Konzept, mit den Trachtenvereinen der Region intensiv zusammenzuarbeiten
und so die Authentizität der ausgestellten Exponate zu gewährleisten,
scheint aufzugehen. So kann bald eine neue Vitrine der Öffentlichkeit
vorgestellt werden, die städtische Trachtenkleidung zum Thema
hat und deren vier Exponate von Trachtenvereinen zur Verfügung
gestellt wurden. Neben der Haslacher Bürgerinnentracht wird
dort auch eine Gengenbacherin zu finden sein. Dieser Tage nun wurde
das Ensemble vervollständigt durch eine wertvolle Dauerleihgabe
aus Villingen. Die "Historische Bürgerwehr und Trachtengruppe
Villingen" hatte sich entschlossen, neben einer Villinger Bürgertracht,
einer Männertracht also, die das "Damenkränzchen"
in der Vitrine sicher gut auflockert, auch eine "Alt-Villinger
Frauentracht" mit der bekannten Radhaube als Dauerleihgabe
zur Verfügung zu stellen. Und damit alles richtig sitzt, haben
es sich Lambert und Gisela Hermle und Veronika Rudhardt vom Villinger
Trachtenverein nicht nehmen lassen, die beiden Schaufensterpuppen
im Schwarzwälder Trachtenmuseum selbst einzukleiden. Die Villinger
Trachtenspezialisten mussten feststellen, dass es ein ebenso schwieriges
wie zweitaufwändiges Unterfangen ist, maßgeschneiderte
Trachtenkleidung einer auf Konfektionsgrößen zugeschnittenen
Schaufensterpuppe anzuziehen und die einzelnen Kleidungsstücke
auch noch so zu drapieren, dass das Ganze nicht gekünstelt
wirkt. Die neue Vitrine wird in den nächsten Tagen fertig gestellt
sein und repräsentiert dann die "städtische Kleidung"
der Bürgerinnen und Bürger in den zahlreichen kleinen
Schwarzwaldstädtchen des vorvorigen Jahrhunderts. Mit ihrer
Lage im letzten Drittel des Museumsrundgangs stellt sie auch museumspädagogisch
einen gelungenen Kontrapunkt zum mittleren Museumskomplex dar, der
sich überwiegend der Darstellung der bäuerlichen Festtagstrachten
widmet. Das Haslacher Trachtenmuseum hat durch die neuen Ausstellungsstücke
jedenfalls eine echte Bereicherung erfahren.
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25 Jahre LAG Tanz BW
Schloss Hersberg bei Immenstaad am Bodensee bot rund 100 Tänzerinnen
und Tänzern vom 1. bis 4. November 2001 gastliche Zimmer, Vollverpflegung
und einen großen Tanzsaal, in dem drei Tage lang Tänze
aus aller Welt angeleitet, geübt und mit wachsender Freude
getanzt wurden. Dank einer sorgfältig geplanten Organisation
lief alles wie am Schnürchen, und so tanzten wir natürlich
mit den erforderlichen Ess- und Ruhepausen von morgens 9.15
Uhr bis in die Nacht. Versierte Tanzleiter verstanden es, in kurzer
Zeit von leichteren Mitmachtänzen zu schwierigeren Tanzformen
hinzuführen. Auf dieser Tanzreise streiften wir das reiche
Angebot an Tänzen aus Osteuropa, aus dem Balkan und Israel,
aus Westeuropa, speziell England, ferner Tänze aus dem deutschsprachigen
Raum, Tänze aus Nordamerika und schließlich ganz moderne
Tanzformen.
Es setzt schon Tanzerfahrung voraus, wenn man sich auf so unterschiedliche
Tanzausprägungen einlässt, ohne frustriert zurückzustehen;
die ungewohnte Fußarbeit bei Balkantänzen mit ihren fremden
Rhythmen, das blitzschnelle Reagieren auf die Anweisungen des "Callers"
bei den amerikanischen Squares, die Schärfung des Raumgefühls
bei Formationstänzen das alles und noch vieles mehr
erfordert wache Konzentration und Kontrolle über seinen Bewegungsapparat.
Trotz all dieser Tanz-"Arbeit" kam die Freude nicht zu
kurz, vielmehr durchpulste sie den Tanzsaal von früh bis sehr
spät an diesen drei Festtagen.
Eine historische Vertiefung bot uns Jadwiga Novaczek, München,
mit einer "Zeitreise" vom ausgehenden Mittelalter bis
ins 18. Jahrhundert. Sie wählte exemplarisch die Allemande,
einen Prozessionstanz, den wir in zeitlich verschiedenen Ausformungen
tanzten und dabei den Hauch einer vornehm distanzierten Gesellschaft
ahnten. Doch auch fröhliche Elemente lernten wir kennen und
übten uns in Wicklerfiguren, mit mehr oder weniger Erfolg,
aber viel Spaß, wie sie uns analog in alpenländischen
"Landlern" begegnen. Wir merken: Tanz hat, auf verschlungenen
Wegen, voneinander getrennte Gesellschaftsschichten verbunden und
damit bereichert.
Aus der historischen Fremde, die in fünf Anleitungsstunden
noch nicht zur vertrauten Heimat werden kann, gerieten wir am letzten
Tag in die unmittelbare Gegenwart. Fast drei Stunden Nordamerikanische
Tänze am Stück wirbelten uns so richtig durcheinander,
gepeitscht von den exakten Kommandos des souveränen, witzigen
Callers.
Die so schon überreiche Palette des Tanzprogramms bekam noch
einen lebhaften Tupfer durch zwei Damen, die ich namentlich erwähnen
möchte, aber stellvertretend für alle andern Referenten
dieser Tage: Helga Eppinger, seit Jahren liegt die Tanzleiterausbildung
in ihren Händen, zeigte uns, wie man nach moderner, spritziger
Musik unkonventionell gesellig tanzen kann; und Vera Weindel-Roth,
die Leiterin der LAG Tanz Baden-Württemberg, führte uns
zum Teil ältere Semester in den Modern Dance ein, sonst ein
Reservat der ganz Jungen, und mancher von uns fand Geschmack am
Line Dance, Latin Mix und an Jazzdance-Elementen, wenn auch die
Koordination von Händen und Füßen zu wünschen
übrig ließ. Derart aufgeputscht ging es in die Pause
vor dem abendlichen Tanzfest.
Wenn Musiker aus Zürich, die Gruppe "Merákia",
zur Polonaise aufspielen, bleibt kaum jemand sitzen, und so zogen
bald über 60 Paare in Windungen durch den Saal, sich teilend
und wieder findend, zum Knäuel verdichtet, ohne Chaos sich
lösend, schließlich in einem Walzer endend. Prof. Dr.
Klaus Kramer, ein Mann der ersten LAG-Stunde, sprach über die
Gründung der LAG Tanz in Baden-Württemberg, über
die notwendige spröde Arbeit, damit eine solche Organisation,
ein eingetragener Verein, sich überhaupt formieren kann. Den
vielen ehrenamtlich Tätigen verdanken wir es, dass der Verein
in den 25 Jahren zu einer lebendigen Gemeinschaft gewachsen ist,
dass die Lehrgangsangebote von anfangs drei im Jahr heute auf über
zwanzig gestiegen sind, und dass die Tanzleiterausbildung in den
letzten 15 Jahren rund 200 neue TanzleiterInnen hervorgebracht hat.
Nach einem reichhaltigen Buffet wurde wieder getanzt, amerikanische
und deutsche Tänze, und es rückte gegen 22 Uhr die Zeit
heran für Ehrungen und Dank im "Jahr des Ehrenamtes".
In einer kurzen Ansprache ging Johannes Finkous, ein früherer
Leiter der LAG, auf das uralte Phänomen Tanz in der Menschheit
ein. Er zog den Bogen von der Griechischen Antike mit ihrer hohen
Tanzkultur zur Gegenwart, wo in unseren Schulen der Tanz eine spärliche
Rolle einnimmt, und er forderte die curriculare Einbindung des Tanzes
in die Fächer Musik und Sport in allen Klassenstufen, gerade
auch im Hinblick auf ein Vertrautwerden mit fremden Kulturen und
Traditionen.
Die Ehrung von etlichen früheren und heutigen Mitarbeitern
wurde von Frau Weindel-Roth zügig vorgenommen. Es war eine
stattlich Anzahl, die den Applaus der Festgäste entgegennehmen
konnte. Geehrt wurde auch die jüngste Teilnehmerin (zehn Jahre)
und die älteste, 80-jährige aktive Teilnehmerin an diesem
Jubiläumsfest. Die letzte Ehrung kann stellvertretend für
alle langjährigen verdienstvollen Tanzleiterinnen angesehen
werden, insofern die Geehrte, wie ich erfuhr, vor 65 Jahren (als
15-jähriges Mädchen) ihre erste Tanzgruppe Gleichaltriger
anvertraut bekam, später als Lehrerin in all den Dienstjahren
regelmäßig mit Kindern in der Schule tanzte und heute
zwei verschiedene Tanzgruppen wöchentlich leitet.
Nach der halbstündigen Unterbrechung kamen die Tanzbeine wieder
zu ihrem Recht und entführten uns nach Osteuropa und Israel.
Wie schön Balkantänze in Tracht wirken, erlebten wir durch
die Tanzgruppe "Suvalka" unter Leitung von Klaus Grimm,
Gengenbach, und wir bewunderten die flinken Füße zu den
komplizierten Rhythmen. Mit Tänzen aus Westeuropa näherten
wir uns Mitternacht und damit dem Ende des offiziellen Programms,
das uns einen Einblick in die vielfältige Tanzarbeit innerhalb
der LAG Tanz gewährt hatte. Es spricht für die Teilnehmer,
dass sie in einem offenen Tanzen weitermachten und kreuz und quer
aus dem schier unerschöpflichen Tanzrepertoire Vorschläge
machten, Wünsche äußerten, nach knapper Anleitung
mittanzten und scheinbar nicht müde wurden unter dem Lebenselixier
Tanz.
Eine kleine Gruppe hatte außerhalb der offiziellen Veranstaltungen
zwei meditative Tänze einstudiert. Sie wurden in der Schlosskapelle
beim sonntäglichen Gottesdienst um den Altar als eine besondere
Art von Gebet getanzt. Tanz und Kult ein würdiger Abschluss
als Dank für das rundum gelungene Jubiläum!
Johannes Finkous
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Jeder Dritte im Land engagiert sich für Gemeinschaft
Baden-Württemberg ist das Mitmachland schlechthin
Baden-Württemberg ist nach den Worten des Soziologen Konrad
Hummel das Mitmachland schlechthin. "Jeder Dritte im Südwesten
engagiert sich in irgendeiner Rolle vom Bewährungshelfer bis
zum Hornissenschützer aktiv für die Gemeinschaft",
sagte der Leiter der Geschäftsstelle Bürgerengagement
im Sozialministerium in einem dpa-Gespräch. In den großen
Städten nehme die Bindung an ein Freizeit-Amt allerdings ab.
Außerdem würden den großen Institutionen wie Kirchen
und Gewerkschaften die Freiwilligen weglaufen, um sich kleinen Bürgerinitiativen
und Interessengruppen anzuschließen.
Der Zulauf zu Ehrenämtern sei in Baden-Württemberg deutlich
höher als in anderen Bundesländern. Um dieses Engagement
zu würdigen, habe sich das Sozialministerium zum Landesjubiläum
etwas Besonderes einfallen lassen: Die Karawane Bürgerland
2002. Von Sonntag 2. Juni an ziehen die Ehrenamtlichen an 50 Tagen
durch 50 Städte im Land. Die erste Etappe war Ulm, der Zielort
am 21. Juli Karlsruhe. "Alle Aktiven sollten merken, dass sie
ernst genommen werden", erläuterte Hummel den Sinn der
Karawane.
Die meisten freiwilligen Helfer im Südwesten bekleiden ein
Amt in einem Sportverein. "Auf den Sport fallen 37 Prozent
des Bürgerengagements. Weitere 25 Prozent beteiligen sich aktiv
im Bereich Freizeit. Dazu zählen etwa Kulturdenkmalvereine
oder Landfrauen." 16 Prozent helfen in Musik- und Theatervereinen,
elf Prozent im sozialen Bereich. "Vor 20 Jahren war ein Viertel
der Bevölkerung in einem Blasverein oder im Kirchenchor aktiv.
Inzwischen hat sich das Bild gewandelt", sagte Hummel. Heute
sei ein Großteil der Freiwilligen in kleinen Organisationen
aktiv: "Es gibt Bachpaten wie etwa in Freiburg. Dort kümmern
sich Bürger ehrenamtlich um die Pflege der innerörtlichen
Kanäle und Bäche." Auch Vereine zum Schutz von Walfischen,
Bürgerinitiativen zum Bau einer Rollschuhbahn oder Dritte-Welt-Initiativen
seien beliebt.
"Die traditionellen und die quasi postmodernen Strukturen sind
eigentlich widersprüchlich. Früher wollten Gleichgesinnte
gemeinsam Traditionen aufrechterhalten, heute stellen sich auch
heterogene Gruppen gemeinsam neuen Herausforderungen." Dieses
Nebeneinander ist nach den Worten Hummels ein Vorteil: Durch die
Reibung alter und neuer Strukturen würden sich beide Bereiche
gegenseitig befruchten.
Dass im Südwesten mehr Menschen ehrenamtlich aktiv sind, habe
mehrere Gründe. Ein wichtiger Aspekt sei die Siedlungsstruktur.
"Kaum ein Bundesland ist so dicht besiedelt. Deshalb haben
wir im Vergleich zu Bayern oder Niedersachsen extrem niedrige Unterschiede
zwischen Stadt und Land und alle Menschen sind ähnlich engagiert."
Außerdem sei Baden-Württemberg mehr als andere ein Zuwanderungsland.
Der hohe Anteil von Ausländern habe sich positiv auf das Bürgerengagement
ausgewirkt: "Dank der Gastarbeiter haben wir zahlreiche deutsch-türkische
oder christlich-islamische Vereine."
Hummel betonte, dass sich allerdings nicht jeder Aktive gleichzeitig
auch für das Gemeinwohl einsetzt. "In den Statistiken
tauchen auch Bürgerinitiativen gegen den Bau eines Behindertenheimes,
Islamistenvereinigungen oder die NPD-Jugend auf. Diese Menschen
engagieren sich zwar, aber sie fördern wohl kaum das Gemeinwohl."
Internet: Karawane Bürgerland 2002: http://www.buergerprojekte.telebus.de
Quelle: dpa/lsw
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Vom Uhrmacher zum Weltmarktführer
Sonderausstellung zum 100. Todestag von Matthias Hohner
Matthias Hohners Laufbahn vom unzufriedenen jungen Uhrmacher über
den mühsamen Beginn als Hersteller von «Mundharfen»
bis zum Chef eines Weltunternehmens zeigt eine Sonderausstellung
in Trossingen (Kreis Tuttlingen). Anlässlich des anstehenden
100. Todestags des Gründers der Instrumenten-Fabrik gibt das
Deutsche Harmonika-Museum ungewöhnliche Einblicke in das Privatleben
und das Geschäftsgebaren eines der bekanntesten Industriepioniere
Baden-Württembergs.
Der am 11. Dezember 1902 gestorbene Hohner versuchte sein Glück
zunächst als reisender Uhrenverkäufer. 1857 baute er seine
erste Mundharmonika. Die Herstellung schaute er von anderen Firmen
ab. Später wurde das Programm um Akkordeons erweitert. Als
Matthias Hohner das Geschäft 1900 an seine Söhne übergab,
hatte die Firma 1000 Mitarbeiter und stellte drei Millionen Mundharmonikas
her.
Die meisten gingen in den Export in die USA, wo sie als Blues- Instrument
beliebt waren. Ein Teil der Ausstellung befasst sich daher mit dem
Einfluss Hohners auf die amerikanische Musikgeschichte.
Internet: Harmonika-Museum:
http://www.harmonika-museum.de
Quelle: dpa/lsw
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Volksmusikbass.de
Ein Versuch im Internet
Im Rahmen seiner Diplomarbeit erstellt der Musikstudent Jörg
Lanzinger momentan ein Online-Tutorium als Einstieg in das volksmusikalische
Begleiten auf dem Kontrabass. Alle Bassistinnen und Bassisten, die
über einen Internetzugang verfügen, sind herzlich eingeladen,
an dem Projekt teilzunehmen.
Unter der Internetadresse http://www.volksmusikbass.de
können die Musikerinnen und Musiker ab Mitte September im Selbststudium
das Begleitspiel in der traditionellen Volksmusik lernen. Volksmusik
bedeutet in diesem Zusammenhang die aus dem traditionellen Volkstanz
und dem traditionellen Mundartgesang entstandene Musikrichtung, die
heute vor allem im süddeutschen Raum verbreitet ist und oft auch
als Stubenmusik bezeichnet wird. Der Aufbau des Online-Tutoriums wird
einem Aufbau eines normalen musikpädagogischen Schulwerkes nachempfunden.
Kapitel für Kapitel und Seite für Seite kann die Schülerin
oder der Schüler das Werk durcharbeiten. Durch den Einsatz von
Internetmedien stehen neue Hilfsmittel zur Verfügung: MP3-Files
zum so genannten Play-Analog, Video-Konferenzen oder Austausch von
digitalen Bildern zur visuellen Kontrolle, Erstellen und Bearbeiten
von Noten durch moderne Notendruckprogramme zum Erlernen von musiktheoretischen
Zusammenhängen. Die Testphase im Rahmen der Diplomarbeit erstreckt
sich über zehn Wochen und endet spätestens am 22. Dezember
2002. Danach müssen die Ergebnisse ausgewertet werden und die
Arbeit an der Musikhochschule Augsburg-Nürnberg vorgelegt werden.
Betreut wird der Volksmusikstudent des Richard-Strauss-Konservatoriums
in München durch die Dozenten Dr. Dorothea Hoffmann und Sepp
Hornsteiner, Dozent für Volksmusik am RSK.
Interessenten können sich unter www.volksmusikbass.de
oder per E-mail: JoergLanzinger[at]imail.de
- für den Testlauf anmelden.
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Thüringer steht an der Spitze des Deutschen Trachtenverbandes
Knut Kreuch einstimmig zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt
Neustadt an der Weinstraße Haupttagesordnungspunkt
der Bundesversammlung des Deutschen Trachtenbundes in Neustadt an
der Weinstraße waren die Neuwahl des Vorstandes und die neue
inhaltliche Ausrichtung des Verbandes. Nachdem Günter Putz
aus Darmstadt nicht mehr für den Bundesvorsitz kandidierte,
schlug die Delegiertenversammlung den Thüringer Landesvorsitzenden
Knut Kreuch für den Bundesvorsitz vor, der anschließend
einstimmig das Vertrauen aller Bundesländer erhielt. Mit dem
35-jährigen Kreuch steht erstmals ein Thüringer an der
Spitze des mit 2,5 Millionen Mitgliedern größten Verbandes
der Heimat- und Brauchtumspflege in Deutschland. Bekannt geworden
ist Kreuch als Organisator des 1. Gesamtdeutschen Bundestrachtenfestes
1994 im thüringischen Wechmar.. Dem Bundesvorsitzenden zur
Seite stehen als Stellvertreter Jürgen Sturma (Niedersachsen),
Gunter Dlabal (Baden-Württemberg), als Schatzmeister Hubert
Hergenröther (Bayern) und als Schriftführer Günter
Putz (Hessen) Kreuch will den Bundesverband in den nächsten
Jahren neu profilieren als Vermittler zwischen den Landesverbänden,
als kompetenten Ansprechpartner von Bundes- und Landesbehörden
sowie als Forschungsstelle für die Erhaltung und Pflege von
Tracht und Brauchtum. Dabei ist der Aufbau einer Forschungsstelle
mit Bundesgeschäftsstelle geplant. Die nächste Präsidiumssitzung
findet im März 2003 in Thüringen statt. Die nächsten
Höhepunkte des Verbandslebens werden das 1. Deutsche Kinder-
und Jugendtrachtenfest vom 28. bis 30. Mai 2004 in Thüringen
sowie im September 2004 das nächste Deutsche Trachtenfest im
niedersächsischen Lingen sein. (R)
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Aus zwölf Abenden wurden letztlich 14 Jahre
40 Jahre Volkstanzgruppe Neckartailfingen: Große Auszeichnung
für langjährigen Tanzleiter Reinhold Fink
Sein Leben lang galt Reinhold Finks große Leidenschaft vor
allem einem: dem Volkstanzen. Nicht dem, was in großen Schauauftritten
daraus gemacht wird, sondern dem ursprünglichen Vergnügen,
wie es die Menschen einst auf den Tanzdielen bei großen und
kleinen Festlichkeiten pflegten. Den Tänzen der einfachen Leute
ebenso wie den der Zünfte oder der adeligen Gesellschaft. Und
seine Begeisterung hat er über Jahrzehnte stets an andere weitergegeben.
Beispielsweise in Neckartailfingen, wo er viele Jahre als Tanzleiter
der Volkstanzgruppe wirkte. Für sein Engagement verlieh ihm
der Kulturrat des Schwäbischen Albvereins (SAV) im Rahmen der
Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Neckartailfinger
Volkstanzgruppe am Samstagabend in der Gemeindehalle deshalb die
Kurt-Wager-Medaille.
Viele Ehrungen hat Fink für sein Wirken schon erhalten: Die
Medaille für Verdienste um die Heimat Baden-Württemberg
ebenso wie die Ehrennadel des Landes für ehrenamtliche Tätigkeit
sind darunter. Mit der Kurt-Wager-Medaille sagte nun der SAV dem
engagierten Schwaben für Jahrzehnte dauerndes Engagement "im
Namen aller Tänzer und Musiker" Dank.
Nur selten wird diese Ehrung, benannt nach dem großen Kurt
Wager, verliehen. Nach dem Tod des Tanzlehrers (1911-1979), dem
die Volkstanz-Bewegung in Baden-Württemberg vieles zu verdanken
hat, aufgelegt, wurde sie bis dato nur viermal vergeben. Das letzte
Mal, so erinnert sich der Vorsitzende des Kulturrates des SAV, Manfred
Stingel, vor zehn Jahren: Damals ging die Ehrung, eine der bedeutendsten
im Volkstanzbereich überhaupt, an das Deutsche Tanzarchiv in
Leipzig. Reinhold Fink ist nun also der fünfte Träger
dieser Auszeichnung. "Viele von Euch wären heute nicht
hier, wenn er nicht gewesen wäre", erinnerte Festredner
Gerd Rieker an die Verdienste des Mannes, der so wesentlich die
Entwicklung der Volkstanzgruppe Neckartailfingen beeinflusst hat.
Eigentlich hatte Fink, damals noch in Tübingen zu Hause, die
Tanzleitung nur für zwölf Abende übernehmen wollen,
geblieben ist er 14 Jahre. Und nicht nur das Volkstanzen haben viele
Neckartailfinger von ihm gelernt: Seine Verbindungen und Kontakte
in viele europäische Länder haben der Abteilung eine ganze
Reihe von Freundschaften in Spanien und Schweden gebracht.
Auch als Fink die Tanzleitung abgab, blieb er den Neckartailfingern
verbunden, organisierte zwanzig Jahre lang das offene Tanzen. Auch
das alljährlich offene Volkstanzen in Neckartailfingen, das
am Sonntag seine 34. Auflage erfuhr, geht auf seine Idee zurück.
"Eine schöne Zeit, eine schöne Kameradschaft"
sei es hier stets gewesen, so erinnert sich Fink später in
seinem Rückblick. Doch nicht nur hier hat die Koryphäe
in Sachen Volkstanz gewirkt: Unzählige Männer, Frauen,
Jugendliche und Kinder haben landauf, landab bei ihm das Volkstanzen
erlernt oder sich bei ihm zum qualifizierten Tanzlehrer ausbilden
lassen, erinnert Rieker. Schon 1968 war Fink Fachwart für Volkstanz
in der Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg.
Von dem großen Kurt Wager hat er für den SAV die Leitung
der Volkstanzlehrgänge übernommen. Die Volkstanzwoche
wurde dank ihm zu einem Renner. Selbst bei den Badenern verschaffte
sich der Schwabe Respekt: Beim badischen Bund für Heimat- und
Volksleben hat seine Meinung im Bereich Volkstanz großes Gewicht,
hier wirkte er als Fachwart für Volkstanz, Tanzleiter und als
Vizepräsident der Heimatzunft Hüfingen. Aber ob bei den
Vereinen oder auf Landesebene, Fink stehe vor allem für eines:
"Sein Name stand immer für Verlässlichkeit seiner
Arbeit. Wenn er gebraucht wurde, war er da", erklärte
Rieker.
Aus: Nürtinger Zeitung vom 02.09.02
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Schwäbische Sorgen um das "Gsälz"
Die neue Lust an der Mundart geht manchen schon wieder zu weit
Verflachung? Neue Blüte? Seit es in Bahnhöfen sächselt
und in der Reklame schwäbelt, ist Mundart wieder Thema. Doch
was die einen als Wiedergeburt bejubeln, beklagen die anderen grämlich
als Verwässerung, als Missbrauch des Dialekts, um dessen Bestand
sie fürchten.
Manfred Rommel versuchte es mit Satire: "Wir sind ein eingeschüchtertes
Restvolk inmitten von Badenern, Bayern, Eidgenossen, Hessen und
Franken", beklagte Stuttgarts Alt-OB im Sommer bei der Mitgliederversammlung
des Fördervereins Schwäbischer Dialekt den Seelenzustand
seiner Landsleute. Klare Absicht: den Schwaben das Kreuz zu stärken.
Bei einer Ulmer Veranstaltung im September hätte Rommel seine
helle Freude gehabt: Im modernen Ulmer Stadthaus saß ein gut
aufgelegter Dieter Baumann und erzählte im Alltagsschwäbisch
aus seinem Läuferleben dass er sich in Sydney um seine
Olympiachance "beschissen" fühlte, dass jetzt zwei
Kinder um ihn "herumwuselet" und das Training etwas schwieriger
"machet".
Nun ist Ulm für Mundart ein gutes Pflaster, auf dem die Stadtwerke
den Dialekt seit bald drei Jahren zur Imagepflege nutzen: Hier kommt
der "Schwobaschdrom" aus der "Schdeggdos" und
wer ihn haben will, wählt die "Hoddlein". Doch das
Phänomen geht über die Stadt hinaus, wie der Weingartner
Sprachwissenschaftler Norbert Feinäugle bei der Eröffnung
der ersten oberschwäbischen Mundartwochen in Ehingen feststellte:
Mundart sei weithin selbstverständlich geworden.
In Baden-Württemberg und Bayern bekennen sich nach einer Allensbach-Umfrage
60 Prozent zum Dialekt, in Sachsen mit 55 Prozent kaum weniger.
Und weil in vielen Sendeformaten des Fernsehens, vom Interview bis
zur Talkshow, spontanes Sprechen gefragt ist, schallt Mundart in
bunter Vielfalt in die abendlichen Wohnzimmer. Bleibt für Feinäugle
die Frage: Was soll das? "Was hat man davon, wenn die Bibel,
wenn Max und Moritz und schließlich auch Asterix erfolgreich
ins Schwäbische übersetzt werden, wenn Zeitungsanzeigen
in Mundart erscheinen und Bierdeckel und T-Shirts, Kugelschreiber
und Regenschirme mit flotten Mundartsprüchen Aufmerksamkeit
zu erregen suchen?"
Für Wilhelm König vom "Haus der Mundart" in
Bad Schussenried ist die Antwort klar: gar nichts. Der Mitbegründer
der Mundartgesellschaft sieht eine Verwässerung, fürchtet,
dass in dem Maß, wie das Honoratiorenschwäbisch zunimmt,
Begriffe verloren gehen. Marmelade statt Gsälz, reda statt
schwätza. "Begeisterung für den Dialekt reicht nicht",
sagt König. Ohne Verständnis für Geschichte und Literatur
bleibe dies eine "dilettantische Wiederaufnahme", die
dem Dialekt mehr schade als nutze. Die darin anklingende Angst,
der Dialekt verflache, verliere an Kraft oder sterbe gar aus, wird
von der Wissenschaft nicht geteilt. Diese Angst sei, so tröstet
der Volkskundler und Germanist Hermann Bausinger am Donnerstag ebenfalls
in Ulm ein besorgtes Publikum, so alt wie die Mundartforschung,
habe diese sogar vor 200 Jahren ausgelöst, als etwa der Geistliche
Johann Christoph Schmid 1787 den ersten Versuch eines schwäbischen
Wörterbuches veröffentlichte.
Gewiss: Einwanderung, Globalisierung und die Massenmedien seien
nicht ohne Einfluss, räumt Bausinger ein. Tatsächlich
haben sich schwäbischer Wortschatz und auch die Aussprache
verändert, wobei das Verschwinden zahlreicher Vokabeln mit
dem Verschwinden traditioneller Lebens- und Arbeitsweisen und Produktionsmittel
zusammenhänge. Doch diese Veränderungen bedeuteten kein
Verschwinden des Dialekts. Der existiere fort, allerdings in einer
differenzierten Stufenleiter, die von der breiten Mundart bis zum
gerügten Honoratiorenschwäbisch reicht. Reines Hochdeutsch
schaffe der Schwabe ohnehin selten. Die Stufen dieser Leiter seien
unterschiedlichen Situationen angepasst, etwa dem Arbeitsplatz oder
dem heimischen Herd.
Im Übrigen gebe es Lebensbereiche, in denen der Dialekt einfach
fehl am Platze und wenig funktional sei, etwa in der Wissenschaft
oder auf der Kanzel. Das würden auch die Leute so empfinden,
wenn sie in der Aussprache unterscheiden zwischen dem Himbeergoischt
und dem Heiligen Geischt. Bausinger sieht das Ende der Mundart schon
deswegen nicht gekommen, weil sie zu leisten vermag, wozu die Hoch-
oder Standardsprache weniger gut in der Lage ist. So sei der Dialekt
ein Instrument der Abgrenzung, des Demonstrierens von Zugehörigkeit,
das keine Tracht und keine Fahne benötige. Und: Mundart drücke
Sachverhalte oft treffender aus.
Von "neidige Siech" spricht der Ehinger Autor Wolfgang
Baumbast bei den Mundartwochen in seiner Parabel über die Pfarrhaushälterin,
die vom Kirchengemeinderat angefeindet wird, weil ihr der Geistliche
alles vererbt hat eine Charakterisierung, die besser nicht
geht. Und wenn Beate Denzler aus Dürmentingen an gleicher Stelle
in einem Gedicht über den "hura Gegewind" am Federsee
klagt, weiß dem Schwäbischen sei Dank jeder,
wovon die Rede ist.
"Die Mundart ist das Mittel, Nichtssagendes zu sagen, und das
ist ein ganz wichtiger Faktor in der Kommunikation", stellt
Bausinger fest. So können Emotionen deutlicher ausdrücken,
was sich in der hohen Variabilität des schwäbischen Schimpfwort-Repertoires
zeige. Sie sei die Sprache der (Nach-) Lässigkeit, gewissermaßen
die sprachliche Haus- und Freizeitkleidung.
Schließlich sei Mundart die Sprache der Widerspenstigkeit,
in der sich der Protest gegen die Obrigkeit unverblümt äußere.
Der These, im Dialekt könne man nicht lügen, widerspricht
er allerdings vehement: Das Gegenteil sei der Fall, im Dialekt könne
man besser, da glaubwürdiger lügen. "Alles zu seiner
Zeit", so lautet Bausingers Antwort auf die Frage, ob Mundart
ein Auslaufmodell sei, das von Berufsschwaben totgepflegt wird,
oder ob sie im Alltag nach wie vor ihren Platz habe. Ihren Generalanspruch
will er einschränken: Die Abgrenzung dürfe nicht in Ausgrenzung
münden. Bausinger fordert die sprachliche Toleranz nicht nur
gegenüber den Schwaben, sondern auch gegenüber der Hochsprache,
der "Kanak-Sprak" und sogar gegenüber dem Sächsischen.
Aus: Südwestpresse vom 21.09.02
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