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Geneigter Leser,
Zeitungsleser sind schlimme Meldungen gewohnt, verkünden
die Lokalblätter doch tagtäglich von Kriegen, Unfällen,
maroden Rentensystemen und vom bankrotten Staat.
Doch dieser Tage las ich eine Meldung, die ich nicht nachvollziehen
konnte und die mich wirklich erschüttert hat. In großen
Lettern stand über einem kleinen Textblock: „Nur jedes
zehnte Kind kann ein Lied singen“.
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gesangspädagogen,
Martin Vogel schlug Alarm. Nur etwa zehn Prozent der Kindergartenkinder
können ein Lied singen, beklagte Vogel die verheerende Situation.
Es stellt sich nun die Frage nach der Fähigkeit der Erzieherinnen,
den Kindern Lieder zu vermitteln. Vogel forderte ein zusätzliches
Gesangsangebot bei der Ausbildung von Kindergärtnerinnen.
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Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da Träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort
Joseph Freiherr von Eichendorff |
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Singen ist eine natürliche Lebensäußerung. Jeder,
der schon einmal ein Kind im Vorschulalter beim Singen beobachtet
hat, weiß das. Aber wo, wenn nicht im Kindergarten und in
der Grundschule sollen Kinder denn das Singen lernen? Zuhause womöglich?
Mütter singen ja scheinbar auch nicht mehr mit ihren Kindern.
Wahrscheinlich wurde schon mit ihnen nicht mehr gesungen. Längst
haben die Radiosender, das Fernsehen und der CD-Player die musikalischen
Aktivitäten vom Praktizieren auf das Konsumieren reduziert.
Jahrhundertelang war das Singen ein wesentlicher Bestandteil von
Hoch- und Volkskultur. Und nun fehlt der Nachwuchs. Das ist, wie
wenn es beim Fußball keine in Höfen und auf Wiesen bolzenden
Buben mehr gäbe.
Dabei prägt das Singen und Musik überhaupt ganz wesentlich
die Persönlichkeit eines jungen Menschen. Er wird zu einer
harmonischeren in sich ruhenden Person. Zudem haben neuere Untersuchungen
ergeben, das musizierende Kinder intelligenter sind als andere.
Unsre Kinder schleppen eine Menge Bildungsballast durch ihre schulische
Entwicklung. Umso fataler ist es, dass an den Schulen wegen personeller
Engpässe häufig am Musik- und Sportunterricht gespart
wird. Die Folgen: Kinder mit Haltungsschäden und Übergewicht
und der Unfähigkeit zu singen.
Gesangvereine und Kirchenchöre überaltern, weil ihnen
der Nachwuchs fehlt. Der Gesangskultur wurde der Humus enzogen.
Verständlich, dass dieses alte Gewächs eingehen muss.
Kein Wunder in einem Land. in dem eine halskranke genmanipulierte
Kreuzung aus Kermit dem Frosch und Wiegald Boning zum Superstar
in einem TV-“Gesangswettbewerb“ hochgejubelt wird.
Wo also bleibt die Kultur, Frau Ministerin?
Herzlichst
Ihr
Wulf Wager
Redaktionsleiter
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