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Berichte



 
Volkstanzwoche Überlingen ´99
 
Premiere für schwäbische mund.art e.V.
 
Landes-Hackbrettbund gegründet
 
Jürgen Hohl ausgezeichnet
 
Internet und Volkstanz unter einem Dach Das Archiv fÙr schw¹bische Kultur in Balingen
 
Was prägt die Sachsen - Suche nach Wurzeln regionaler Identität
 


Bericht der 37. Baden-Württembergischen Volkstanzwoche in Überlingen am Bodensee
vom 2. - 9. Januar 1999
Dieses Jahr bekam ich, mehr oder weniger freiwillig, die ehrenvolle Aufgabe übertragen, einen kleinen Bericht für den Heimatpfleger zu schreiben.
Jedes Jahr fiebert man bereits im Sommer der Überlinger Woche entgegen und hofft, daß die Zeit schnell verstreicht; selbst Weihnachten und Sylvester haben nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher.
Seit fünf Jahren komme ich immer wieder gerne an diesen Ort der Begegnung. Bereits bei der Anreise wird man immer sehr herzlich aufgenommen und man fühlt sich, selbst wenn man das erste Mal kommt, gar nicht fremd.
Es ist alles sehr gut vorbereitet und man kann gleich sein komfortables JUHE-Zimmer beziehen, Koffer auspacken, Betten beziehen und herumsuchen, wo denn alle anderen schlafen. Schon ist man wieder im Trott, denn wenn der Gong um 18.00 Uhr ertönt, treffen alle beim ersten gemeinsamen Essen zusammen. Anschließend geht es zum Begrüßungsabend wo alle Tanzleiterinnen und Tanzleiter vorgestellt werden. Dieses Jahr kam die Gastreferentin aus Österreich und sollte uns in Österreichischen Tänzen unterrichten. In Volkstanzkreisen muß ich über diese Dame nicht viel schreiben, denn Sie ist die österreichische Antwort auf Wulf Wager. Ihr Name ist Else Schmidt. Kleine gemeinsame Spiele wurden zum Kennenlernen gemacht, dann war Kehraus (gemeinsames Tanzen) zum Beschnuppern angesagt, das abwechselnd von allen Tanzleiterinnen und Tanzleitern vermittelt wurde. Zum krönenden Abschluß des Tages trifft man dann die Unermüdlichen in der "Haifischbar", wo dann auch mancher Teeüberdrüssige anderen Köstlichkeiten frönen kann. Tanzen, singen, quatschen, lachen und geselliges Beisammensein ist hier das Motto bis in die frühen Morgenstunden.
Um 7.30 Uhr ist es dann vorbei mit der Nachtruhe, denn da wandern die Musikanten durch die Gänge und spielen flotte Rhythmen mit Ausdauer, daß selbst ein Tiefschläfer aus seinen Träumen gerissen wird. Um 8.00 Uhr gibt es Frühstück – v i e l z u f r ü h –! Der gute Kaffee und die frischen Brötchen schaffen es aber immer wieder, daß selbst der längste Nachtschwärmer bei Tische erscheint. Das Herbergsessen ist nicht zu verachten, denn es gibt alles, was den Gaumen erfreut. Angefangen vom Hähnchenschenkel, Kartoffelpuffer oder Wiener Schnitzel –L E C K E R-!!!
Das ganze Tagesprogramm ist ziemlich straff organisiert, eine Tanzstunde jagt die andere und in der Mittagspause kann man das JUHE-Schwimmbad benutzen, zur Freude aller kleinen Teilnehmer. Dieses Jahr fand auch wieder das sagenumwobene Stadtspiel statt, welches super organisiert war. Inzwischen kenne ich Überlingen besser, in Punkto Sehenswürdigkeiten, als meine eigene Heimatstadt. Es wurden viele Fragen gestellt, teils zum Allgemeinwissen, teils zum Rechnen, zum Tanzen und zum Forschen. Jede der fünf Gruppen brachte bei der Ankunft in der JUHE ein selbstgedichtetes Lied mit auf die Melodie "Auf´m Wasa grase d` Hase". Das war unter anderem eine der vielen Aufgaben. Nach dem Abendessen traf man sich zur Siegerehrung mit Preisverleihung. Ein riesengroßes Lob dem Leitungsteam:
Bernhard Danner (Gesamtleitung, Tanzleitung); Else Schmidt (Tanzleitung, Gastreferentin); Robert Althauser, Hildegard Ringwald (Tanzleitung); Johanna Wech (Singleitung); Holger Frietsch, Marlies Armbruster, Ferdinand Eisele (Musikanten); Martin Althauser, Irene Danner (Organisation) und Daniela Regener (Kinderbetreuung). Der nächste Höhepunkt ließ auch nicht lange auf sich warten, das 23. Bodensee Volkstanzfest am Dreikönigstag in der Festhalle in Frickingen mit der Allgäuer Vierarmuseg. Aufgespielt wurden einfache kleine Tänze welche kurz vorgezeigt wurden, sowie Rundtänze wie Walzer, Schottisch, Rheinländer, Ländler, Polka und Zwiefacher. Begonnen wurde das ganze Spektakel mit dem Auftanz und einer kurzen Ansprache der Vorsitzenden der Heimatzunft b.-W. e.V., Susanne Schmidt. Also von A wie Auftanz bis Z wie Zwiefacher war alles dabei. Als besondere Einlage gaben die Kinder Ihre Tänzle zum Besten. Auch eine unserer Arbeitsgruppen präsentierte Ihr erlerntes Können. Sie ließen die Fahnen schwingen, fliegen und kreisen. Zudem gab sich der beste Hänsele (Narrenfigur) aus Überlingen die Ehre und ließ die Karpatsche schnellen. Langsam neigte sich die Woche schon wieder dem Ende zu, und alle waren gespannt wer sich dieses Jahr wieder einen Beitrag zur Unterhaltung des Abschlußabends ausgedacht hat. Es waren wieder ganz tolle Sachen dabei, die das Leitungsteam und diverse Teilnehmer, die durch die Woche etwas witzig aufgefallen sind, auf die Schippe genommen haben. Der Tag der Abreise war nun leider gekommen, ein letztes Mal zusammen gefrühstückt, schnell die Koffer gepackt um nun noch kurz ein paar Worte des Dankes an die Herbergseltern los zu werden, anschließend kam eine lange und ausdauernde Abschiedszeremonie, die fast zwei Stunden dauert, und ich weiß nicht wieviel Liter Tränen kostete. Ab nach Hause, schnell ins Bett und dann ausschlafen.
Was macht nach dem ersten Mal süchtig, nach zwei Tagen high und die Entzugserscheinungen dauern 357 Tage?
D I E Ü B E R L I N G E R V O L K S T A N Z W O C H E
Steffi Hahn
 
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Glanzvolle Premiere in Fellbach
Überwältigende Resonanz beim ersten „schwäbische mund.art e.V. - Abend“ in Fellbach
 
Nach einem zunächst mickrigen Kartenvorverkauf entwickelte sich die Debütveranstaltung des schwäbischen mund-art e.V. zum absoluten Highlight: ausverkauftes Haus im Fellbacher Parkrestaurant. Enttäuscht waren nur jene, die wegen Überfüllung (selbst Fensterbänke und Heizkörper waren restlos belegt) keinen Platz mehr ergattern konnten. Wer den Abend erleben durfte, war begeistert. Elf Künstler in rascher Folge, kurzweilig, spannend, abwechslungsreich, demonstrierten die Vielseitigkeit der schwäbischen Muttersprache. Das ließ sich auch der Fernsehsender SWR nicht entgehen und berichtete in der Landesschau von dem gelungenen Abend und den Zielen des Vereins. Hervorragend moderiert wurde der Abend von Wulf Wager, der mit seiner Gruppe "Stäffelesgeiger & Bloskapell" auch die musikalische Eröffnung des Programmes gestaltete. Souverän und routiniert stellte er jeden Künstler, aber auch die Ziele und Aufgaben des Vereins vor. Es wurde herzhaft gelacht, tiefsinnig geschmunzelt und beipflichtend gelächelt. In der Mundart - das war allen Künstlern gemein - kommt man schneller auf den Punkt, werden Dinge unverblümt angesprochen und zeigen sich Charakterzüge die sonst im Verborgenen blieben. Auch die eine oder andere wahre Begebenheit erfährt in Reimform eine liebevolle Betrachtungsweise schwäbischer Winkelzüge. Zu den Meistern dieses Fachs gehören sicherlich Paul Gerlach aus Pleidelsheim, Walter Krämer aus Echterdingen und Erwin Haas aus Göppingen. Die "Wendlinger Sackbendl Kommede" spielte ihren Sketch derart eindrücklich lebhaft, daß darunter sogar die Bühne litt. Später auftretende Künstler mußten befürchten, in einem Loch einzubrechen. Musikalische Beiträge mit melancholischen Zügen gestalteten der Backnanger Liedermacher Rolf Preßburger und Karl Glasstetter aus Owen an der Teck.
Der Bodensee-Alemanne Klaus Dieter Reichert verband den alemannischen Fasnetsbrauch "Maschkara" mit einer ebenso amüsanten wie hintergründigen Geschichte und schloß bei der Betrachtung eines Tausendfüßlers mit der rhetorischen Frage: " ... braucht mer für's Gleichschrittfuaßle - braucht mer do so wenig Hirn?" Der Herrenberger Dr. Wolfgang Wulz widmet sich der Erforschung von Spitznamen schwäbischer Ortschaften bzw. deren Bewohner und stellte dies mit heiteren kleinen Beispielen vor, die einem sicherlich wieder in den Sinn kommen, wenn man die eine oder andere Ortschaft erwähnt.
Schwäbische Mundart dient aber nicht nur dazu, ein Publikum zu erheitern. Sie ist auch eine überaus differenzierte und geeignete Sprache, für nachdenkliche und tiefgründige Betrachtungen. Bernhard Kurrle aus Feuchtwangen und Hanno Kluge aus Böblingen sind solche feinsinnigen Beobachter "begnadete Wortkünstler auf der Tastatur des Schwäbischen", wie sie in einer Pressekritik zum Fellbacher mund.art-Abend gelobt werden.
Ein absolut gelungener Abend in mehrerlei Hinsicht; ein ausverkaufter Saal, Beachtung bei Presse und TV, eine gelungene Präsentation der Vielseitigkeit an aktiven Künstlern des Vereins (die übrigens alle umsonst gespielt haben, um der Vereinskasse Spielraum für weitere Vorhaben zu geben) und ein zufriedenes Publikum haben gezeigt: Es ist eine Gnade in der eigenen Sprache zu Hause zu sein.
Aus: Schönes Schwaben 3/99
 
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Landes-Hackbrett-Bund gegründet
HZ-Volksmusikreferentin Monika Spieß ist Vorsitzende

Schon lange hat es sich angekündigt, daß die Hackbrettspieler im Land - immerhin rund 300 an der Zahl - einen eigenen Verband gründen wollen. Das ist nun geschehen. Nachdem sich die Hackbrettspieler alljährlich seit sieben Jahren beim Seminar des Landesmusikrates in Balingen getroffen haben, wurde nun unter der Triebfeder von Inge Goralewski-Huber von der Volksmusik Oberer Neckar und der Musiklehrerin Monika Spieß von den Stäffelesgeigern der Landes-Hackbrett-Bund Baden-Württemberg e.V. gegründet. Der Zweck des Vereins ist laut Satzung die Förderung des Musizierens auf dem Hackbrett, die Schulung von Hackbrett-Ausbildern, die Aus- und Fortbildung von Hackbrettspielern, Kontaktforum für Hackbrettspieler und -freunde, Heruagabe von halbjährlichen „Hackbrett-Informtionen“, der Unterhalt des „Landes-Hackbrett-Ensembles“ sowie die Verbreitung und Forschung der Hackbrettgeschichte und Literatur. Der Verband hat seinen Sitz in Trossingen. Am 13. Februar erfolgte die Gründung in Rastatt.
Infos gibt`s bei: Inge Goralewski-Huber, Schützstr. 2, 78647 Trossingen, Tel. 07425/31610 (stellv. Vorsitzende) ww
 
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Jürgen Hohl vom Land geehrt
In feierlichem Rahmen wurde der oberschwäbische „Trachtenpapst“ Jürgen Hohl aus Eggmansried am 24.4.99 von Ministerpräsident Erwin Teufel mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Gemeinsam mit Jürgen Klinsmann, Anne Sofie Mutter und 27 weiteren verdienten Menschen erhielt Hohl diese Auszeichnung für seine zahlreichen richtungsweisenden Arbeiten im Bereich Trachtenforschung und -rekonstruktion sowie für seine restauratorischen Arbeiten an den oberschwäbischen Weihnachtskrippen.
DER HEIMATPFLEGER gratuliert herzlich!
 
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Internet und Volkstanz unter einem Dach
Das Archiv für schwäbische Kultur in Balingen
 
Moderne Datenverarbeitung und schwäbische Volkstänze - im Haus der Volkskunst in Balingen sind das keine Widersprüche. Außer dem Wandern und dem Naturschutz hat sich der Schwäbische Albverein der Pflege der traditionellen Kultur verschrieben.
Oben in ihrer kleinen holzvertäfelten Kammer sitzt Petra Hauschke am Computer und bearbeitet einen Artikel aus den Albvereinsblättern von 1899. Interessierte Laien und Wissenschaftler sollen sie später einmal im Internet aufrufen können. Die EDV-Spezialistin ist über ihr Hobby, den Volkstanz, zum Schwäbischen Albverein gekommen.
Zusammen mit der ABM-Kraft Gisela Eppler verfolgt sie in ihrer Freizeit ein ehrgeiziges Projekt: seit sechs Jahren werden im Haus der Volkskunst im Balinger Stadtteil Dürrwangen Seite um Seite der seit 1892 erscheinenden Albvereinsblätter gescannt und wie in einer modernen Bibliothek mit einem praktischen Index versehen. "Wir fragen uns dabei immer, wie der Nutzer denkt", erklärt Petra Hauschke.
100 000 Mark sind für dieses Mammutprojekt nötig, sie wurden über Spenden finanziert. Die Gruppe um den Vereinsfunktionär Manfred Stingel ist jetzt schon bis ans Ende der vierziger Jahre gelangt. Es ist geplant, anschließend auch die Blätter des Schwäbischen Heimatbundes hinzuzufügen. Parallel dazu wird ein Volksliederarchiv eingerichtet. Notenblatt, Text und Melodie werden elektronisch gespeichert und können so bequem an die Tanz- und Chorgruppen des Albvereins abgegeben werden.
10 000 der 120 000 in 570 Ortsgruppen organisierten Albvereinsmitglieder, schätzt Stingel, machen bei dieser Art der Freizeitgestaltung mit. Das Team der Folkloreforscher holt sich historische Aufnahmen aus dem Archiv des ehemaligen Süddeutschen Rundfunks, brennt sich eigene CDs, die es dann wiederum in sein elektronisches Archiv einspielt. Höchste Zeit, daß das passiert, meint Stingel. "Die Schwaben pflegen ihre Kultur nicht", klagt der 55jährige Vorsitzende des Volkstanzrates, der wie fast alle im Dürrwanger Haus ehrenamtlich tätig ist. Und ein drittes Projekt steht an: die Erfassung aller württembergischen Trachten mit farbigen historischen Abbildungen und detaillierten Beschreibungen.
"Wir gehen so schnell wie möglich ins Internet", sagen Hauschke und Stingel. Hier in Dürrwangen soll die zentrale Umschlagstelle für schwäbische Kultur werden. Doch schon heute ist das ehemalige Rathaus ganz praktisch mit der Kulturarbeit befaßt. Denn während Petra Hauschke zwischen Stapeln von Fotokopien am Bildschirm sitzt, werden nebenan in der geräumigen Gaststube die Betten an die Seminarteilnehmer verteilt.
Gut 50 junge Leute sind an diesem Wochenende gekommen, um sich in drei Seminaren mit hochkarätigen Lehrmeistern weiterzubilden - die Themen hören sich freilich exotisch an: Fahnenschwingen, Schwegelpfeifen und Trommeln stehen auf dem Programm. "Jedes Wochenende ist hier was los", erklärt Stingel. "Unser Haus ist ausgebucht."
Die Kurseinnahmen helfen mit, das Haus zu unterhalten. Es wurde von 1980 bis 1986 in Eigenarbeit renoviert. Wo früher der Farrenstall stand, schwingen jetzt die Tanzgruppen die Beine. Es gibt zwar einen Zivildienstleistenden als Hausmeister und einen Koch auf 630-Mark-Basis. Doch bewirtet werden die Gäste reihum von ganz normalen Albvereinsmitgliedern.
An diesem Tag schenkt Brigitte Kappe mit ihrem Mann Kaffee aus und verteilt Apfelkuchen. "Das internationale Programm gefällt mir sehr hier", sagt sie und verweist auf die vielen Souvenirs und Plakate aus aller Welt, die dem großen rustikalen Raum alles Verhockte und Heimattümelnde nehmen. "80 ausländische Gruppen haben uns hier schon besucht", sagt Stingel stolz. Die Schlafstuben, knarrende und mit Holz verkleidete niedrige Zimmer unterm Dach, tragen Namensschilder. Sie heißen Kansas City, Kobe, Warschau oder Krim. Ein Trupp von Teenagern verläßt das Haus in Richtung Turnhalle, wo sie das Fahnenschwingen üben wollen.
Beate Sutor aus Böblingen hat sich angemeldet, um einmal die altertümliche hölzerne Querflöte, die Schwegelpfeife, auszuprobieren. Vielleicht wäre das ja ein Instrument für sie. Heino Pingel ist sogar aus Erlangen ins Württembergische gefahren. Er macht beim Trommelworkshop mit, den der studierte Schlagzeuger Walter Stegmaier gibt. Übrigens wird auf Vesperbrettchen geübt, "sonst wären wir alle nach einer Stunde taub". Weder Sutor noch Pingel ist Vereinsmitglied. Das müsse man auch nicht sein, sagt Stingel.
Unten im Tanzsaal macht Matthias Fischer mit seiner bunt gemischten Flötengruppe erst einmal Atemübungen. Ein paar zarte Mädchen sind dabei und auch eine Mutter mit ihrem Säugling. Von wegen "Rentnerklub Albverein". Im Haus der schwäbischen Volkskultur gibt es übrigens auch eine ganz normale Disco. "Aber die benutzen nur die ganz Jungen, und die auch nur kurz", sagt Stingel. "Denn Livemusik und Selbertanzen ist auf Dauer halt interessanter."
Das Programmheft mit den Kursen und Veranstaltungen ist zu beziehen über : Haus der Volkskunst, Ebinger Str. 56, 72336 Balingen. Tel. 0 74 33/ 43 53, Fax 38 12 09. Eine Homepage gibt es noch nicht.
Aus: Suttgarter Zeitung vom 17.03.99
 
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Was prägt die Sachsen?
Leipziger Forscher suchen die Wurzeln regionaler Identität
An der Leipziger Uni startet ein spektakuläres Millionenprojekt, das erforschen soll, wie Heimatverbundenheit entsteht. Die Sachsen gelten dafür bundesweit als exemplarische "Eigenbrötler".
Der Sachse an sich ist ein legendenumwobenes Wesen. Die Zahl jener im übrigen Deutschland, die sie bewundern ob ihrer steten Umtriebigkeit, ist mindestens ebenso groß wie die jener, die sie beneiden oder auch belächeln, vor allem wegen ihrer schlabberigen Aussprache. Dies ist ein Widerspruch, auf den sich die Sachsen bis heute selbst keinen rechten Reim machen können, jedenfalls keinen wissenschaftlich tragfähigen.
Schon immer hielten sie ihre Heimat für ein deutsches Kernland. Das war vor 1000 Jahren so, als sie die ersten beiden Kaiser stellten, und ebenso in der DDR - aber keineswegs wegen des in Leipzig geborenen Walter Ulbricht. Wenn Sachsen - das damals in die Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig aufgeteilt war - Schnupfen kriege, überkomme die Republik eine Grippe, hieß es. Mithin war es undenkbar, daß die Wende im Herbst 1989 woanders losgegangen wäre als in Leipzig und Dresden, Plauen und Zittau.
Die Sachsen hätten es immer ein bißchen leichter gehabt, das unterstellen Insider dem Volksstamm. Ihre Sprache wie ihre wohl nur noch den Schwaben vergleichbare bodenständige Mentalität spielten dabei eine wesentliche Rolle. Zwei Grundpfeiler, auf die sich bis heute sächsische Identität gründet. Was daran Mythos ist und was belegbare Realität, darüber streiten Gelehrte seit Jahrhunderten. Denn auch in anderer Hinsicht nehmen die Sachsen seit 150 Jahren einen traurigen Spitzenplatz ein: bei den Selbstmorden. Etwa drei Menschen nehmen sich auch heute im ostdeutschen Freistaat Tag für Tag das Leben. Die Gründe dafür sind völlig unklar. Möglicherweise liege es daran, mutmaßen Forscher seit langem, daß die Sachsen seit Luthers Zeiten Protestanten seien.
Um diesem Zwist ein Ende zu bereiten, startete jetzt an der Universität Leipzig ein spektakuläres Forschungsprojekt. 30 Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen der zweitältesten deutschen Alma mater begeben sich mit großem Aufwand auf die Suche nach den Wurzeln sächsischer Identität.
Insgesamt 1500 Sachsen, repräsentativ ausgewählt in der alten Handelsstadt Leipzig sowie im Landkreis Mittleres Erzgebirge, werden dazu in drei Wellen interviewt: 2000, 2004 und erneut 2008. Ergründen sollen die Befragungen vor allem Wertvorstellungen, Traditionsgefühl und die Verankerung in der unmittelbaren Heimat, erläutert Professor Heinz-Werner Wollersheim. Das Projekt soll letztlich verallgemeinerungswürdige Thesen auch für andere Landsmannschaften zu Tage fördern. Dazu richtete die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Leipziger Uni einen von Wollersheim geleiteten Sonderforschungsbereich ein.
Herausfinden wollen die "Saxoniker" beispielsweise, was eine Region zur Region macht und weshalb deren Bedeutung derzeit wächst. Antworten erhoffen sie sich auch auf die Fragen, wie sich in den Köpfen der Leute regionale Identitätsmuster herausbilden können und wie sich diese steuern oder beeinflussen lassen. Es sei immer noch unklar, woraus die oft unverlierbare Verbundenheit der Bewohner mit ihrem unmittelbaren Lebensraum entstehen, sagt Wollersheim.
Landläufig immer wieder aufgeführte Ursachen für regionale Identität, wie Heimatliebe, gemeinsame Geschichte, gleicher Dialekt und ähnliche Lebensumstände, greifen für die Forscher zu kurz. Denn die sozialen Beziehungen der Leute zueinander, ihr spezifisches Fühlen, Denken und Handeln, würden hierbei nur als Momentaufnahme beleuchtet, nicht aber als Prozeß. Wollersheim erwartet das unsichtbar einigende Band eher in einer bestimmten Sinnordnung, das durch gemeinschaftliches Erleben und Mitgestalten gefördert wird. Also wollen die Interviewer herausfinden, was die Sachsen an ihre Heimat bindet und unter welchen Umständen sie diese verlassen würden - oder auch nicht.
Selbst in Schulbüchern und Behördenarchiven fahnden sie nach Indizien für das Entstehen sächsischer Selbstfindung seit der Reformation. Untersuchungen finden überdies zum Konsumverhalten sowie zu den lukullischen Neigungen und Schwächen des Menschenschlages statt, der gemeinhin als Kaffeesachsen firmiert. Ob sich ein stärker regionalbezogenes Verbraucherbewußtsein, wie seit je in Bayern oder im Schwarzwald zu beobachten, künftig auch in Sachsen identifikationsstiftend niederschlägt, ist einer der zu klärenden Aspekte.
"Sachsen bot sich exemplarisch an, weil trotz politischer Umbrüche, territorialer Veränderungen und steter Weltoffenheit die Verwurzelung der Bürger immer fortbestand", so Wollersheim. Seit Jahrhunderten werde hier "Eigenes und Fremdes sehr stark betont", und trotz des im Verlaufe der Jahrhunderte wechselnden Zuschnitts der Landesgrenzen sei nie das "sächsische Übereinstimmungsgefühl" verlorengegangen.
Aus: STZ vom 03.03.99
 
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