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Zur Entwicklung der Trachten- und Heimatpflege in den neuen Bundesländern

von Knut Kreuch

 
Knut Kreuch, Jahrgang 1966, lebt im Bach-Ort Wechmar in Thüringen, ist Bürgermeister der Gemeinde Günthersleben-Wechmar, seit 1982 Vorsitzender des Wechmarer Heimatvereins e.V., seit 1997 Landesvorsitzender des Thüringer Landestrachtenverbandes e.V., seit 2002 Bundesvorsitzender des Deutschen Trachtenverbandes e.V.
 
Gedanken aus den neuen Bundesländern über Volkskunst, Tracht und Folklore vor und nach der Deutschen Einheit
 
Jede Kunstform erfährt während grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen immer eine Veränderung. Diese kann sich parallel oder konträr zeigen. In jedem Fall sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Die vorliegende Darstellung versucht in beschreibender Art und Weise solche Veränderungen, welche den Übergang vom Absolutismus zur Aufklärung prägten, in der Kunstform Tanz aufzuzeigen.
 
Thüringische Trachten

Thüringische Trachten

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„Hallo Frau Körbs, wir wollen uns einmal treffen, sie wissen doch, 1986 ist unser Heimatort Wechmar 1200 Jahre alt, da müssen wir unbedingt ein großes Fest feiern. Herr Stichling und Frau Peters kommen heute Abend auch zur Sitzung“. Das war 1982. Als 15jähriger Schüler habe ich mit diesen Worten meine Lehrer für die Gründung einer Ortsgruppe „Heimatgeschichte“ geworben. Das bevorstehende Dorfjubiläum und der 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach 1985, spornten uns unwahrscheinlich an. Für die ersten sieben Mitglieder war klar, unser Dorf ist der Nabel der Welt, ab sofort muss sich alles um Wechmar drehen. Doch die Ernüchterung kam bald. Als wir dem Kulturminister der DDR einen Brief schrieben, es möge doch bitte in der alten Bäckerei der Familie Bach, wo der Konsum seit Jahrzehnten Fleisch verkauft, ein Museum eingerichtet werden, kam von dort die klare und unmissverständliche Antwort: „Der Verkauf von Fleischwaren ist wichtiger als Kultur und Museum!“. Das war der Hammer, doch wir ließen uns nicht ins Boxhorn jagen. Der Kulturbund der DDR und die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) boten Möglichkeiten für Gruppen auf dem Dorf, folkloristische Traditionen zu wahren und eigenständiges Brauchtum lebendig zu erhalten. Wir gingen als Ortsgruppe Wechmar mit 21 Mitgliedern 1985 zum Kulturbund der DDR. Hier trafen wir uns mit Gleichgesinnten aus Ohrdruf, Waltershausen, Mühlberg und anderen Dörfern des Gothaer Landes. Auf unseren Tagungen ließen wir die politischen Referate über uns ergehen, knüpften dabei neue Kontakte, lernten aktuelle Witze kennen und betrieben einen aktiven Erfahrungsaustausch, alles unter dem Motto „Weißt du, wo ich etwas her bekommen kann, kannst du was gebrauchen, was ich dir besorge und wie schnell fährt dein Trabbi?“
 
Es war kein Nischendasein, damals in der DDR, doch es war Zurücknahme und Anpassung an die Gepflogenheiten. Bei uns auf dem Dorf, wo jeder jeden kannte, wusste man meistens woran man war, wenn man in der Kneipe zu toll auf den Tisch haute. Bei uns waren es sieben Jahre Vereinsarbeit in der DDR, andere Gruppen bestanden vierzig Jahre in diesem System, was sie an Höhen und Tiefen erlebten könnte sicherlich ganze Bücher füllen.
Seit der Deutschen Einheit nahm der Wechmarer Heimatverein e.V. eine beispielhafte Entwicklung. Die Restaurierung von einhundert Trachten, das größte Trachtenfest der neuen Bundesländer 1992, das 1. Gesamtdeutsche Bundestrachtenfest 1994, endlich das lang ersehnte Museum im Bach-Stammhaus 1994, ein Internationales Trachtenfest 1997, das Musikfestival BACH 2000 und der Bau unseres schönen Vereinshauses in einem zweihundertfünfzig Jahre alten total verfallenen Rokokosaal. Zurzeit restaurieren wir die Veit-Bach-Mühle und am 29. November 2003 soll auch dieses Denkmal fertig sein. Der Thüringer Denkmalpreis und der Kulturpreis des Landkreises Gotha sind Anerkennung für die Arbeit unserer heute 125 Mitglieder. Jetzt sind wir bald einundzwanzig Jahre jung und steuern mit Volldampf auf das 1. Deutsche Kinder- und Jugendtrachtenfest an Pfingsten 2004 in Wechmar hin. Wir freuen uns über alle Vereine, die mit uns vom 28. bis 31. Mai 2004 mitten in Thüringen das große Festival der Jugend veranstalten. Doch war die Entwicklung überall so wie bei uns?

Die Folklore in der DDR


Die DDR tat sich im allgemeinen schwer mit der Pflege von Tracht und Brauch. Ihre Ideologie war ausgerichtet auf die Arbeiterklasse und die werktätigen Bauern. Doch gerade bei diesen Bevölkerungsgruppen und insbesondere im Handwerk, das man seit 1972 fast komplett verstaatlicht hatte, gab es viele Ansätze für die Pflege der Volkskultur. Doch bis zu dieser Erkenntnis brauchte man in der DDR zwanzig Jahre und erst die 70er Jahre machten es möglich, dass man sich plötzlich massiv für die Förderung einzelner Volkskunstgruppen einsetzte. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sollten mit kultureller Betätigung verdeckt werden. Große Betriebe und Kombinate, wie zum Beispiel die Chemisch Technischen Werke in Rudisleben, das Stahlwerk in Thale/Harz oder die Uhrenwerke Ruhla bauten Volkskunstkollektive auf, die direkt aus den Mitteln des Betriebes gefördert und deren Tanzleiter eine Anstellung im Unternehmen hatten. Die im Kulturbund der DDR beheimateten Kultur- und Trachtengruppen, bestanden in den 70er Jahren zu meist aus alten Leuten. Denn die Polytechnische Oberschule sorgte dafür, dass der Pflege des Volksliedes und des Volkstanzes keine Bedeutung beigemessen wurde. Lieder wie „Kleine weiße Friedenstaube“ und „Dem Morgenrot entgegen ihr Kampfgenossen all“ verdrängten die traditionellen Weisen „Thüringen holdes Land“ und „Im schönsten Wiesengrunde“. Mangelnde Weiterbildung von Lehrkräften auf der Grundlage der Thüringer Volkskunde, die starke Förderung politischer Betätigungen, der Rückgang kirchlicher Bindungen, all das waren Ursachen für den rapiden Niedergang der Volks- und Breitenkultur in der DDR der 60er und 70er
Wechmarer Mädchen

Wechmarer Mädchen mit der großen Wimmerscher Haube

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Jahre. Dieser Entwicklung wollte man von staatswegen entgegen wirken und neben den Heimat- und Trachtengruppen, die ihre Wurzeln in der Wende des 20. Jahrhunderts hatten, bildeten sich neue sehr aktive Gruppen.
 
Die III. Volkskunstkonferenz der DDR im Februar 1974 formulierte deshalb „Die Folklore gehört als unverzichtbarer Bestandteil und historische Quelle zur sozialistischen Kultur und Kunst. In ihr kommen die sozialen und Klasseninteressen, Ansichten, Gefühle und Träume des Volkes zum Ausdruck, denen wir heute reale Gestalt verleihen…. Aus dem Volke entstanden, von ihm selbst geschaffen, widerspiegelt die Folklore seine Interessen, Sehnsüchte und Kämpfe gegen die herrschende Ausbeuterordnung. Unser Erbeanspruch resultiert aus der Übereinstimmung mit den Ideen und künstlerischen Aussagen des Volkes jener Zeit, die wir in unserem realen Sozialismus verwirklichen.“ Die DDR tat sich sehr schwer ihren Einsatz um Volkstanz, Chorgesang, Tracht und Mundart wissenschaftlich zu begründen. Deshalb schrieb Ernst Stahl 1979 „Es fällt uns auch heute noch schwer, die Folklore als Teil sozialistischer Kultur in unser Kunstleben einzugliedern. Zu einem großen Teil haben wir kein Verhältnis mehr zu Sitte und Brauchtum vergangener Jahrhunderte, weil sich unser Leben grundlegend von dem unterscheidet, welches die uns überlieferte Folklore hervorgebracht hat….“ Er hatte Recht mit seiner Behauptung, dass die Regierenden dafür Sorge trugen, das Verhältnis des Menschen zu Sitte und Bräuchen zu zerstören.
 
Andererseits konnten unter Leitung der Universitäten und Volkskunstkabinette vielfältige wissenschaftliche Studien zur Volkskunde erarbeitet werden, die teilweise sogar Veröffentlichung fanden. Nach dem 1. Folklorefestival der DDR 1978 im thüringischen Schmalkalden ergriff diese neue Einsicht die Machthaber und die damit verbundene Herausbildung einer sozialistisch gesteuerten Heimat- und Tanzbewegung nahm ihren Anfang. Es gründen sich landauf landab Folklorezentren so im thüringischen Erfurt, in Suhl und Rudolstadt. Neue Tanzgruppen entstanden 1969 in Kaltenlengsfeld, 1974 in Trusetal und 1986 in Schnellbach, alles Erholungsorte rund um den Rennsteig.
 
Jungen Leuten ist es heute kaum noch vermittelbar, dass selbst der Urlaub des Menschen in der DDR von staatlicher Seite gesteuert war. Der Feriendienst des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FdgB) regelte, wann, wie und wohin man in den Urlaub fährt. Die Ostseeküste und der Thüringer Wald waren die bevorzugten touristischen Zentren. Ich fuhr mit meinen Eltern lieber nach Sellin oder Ahlbeck, als dass ich auf dem Rennsteig wandern musste. Riesige Hotelkomplexe und tausende primitive Ferienwohnungen waren das ganze Jahr lang belegt. Doch was machen, wenn so viele Gäste kommen. Hier brauchte man plötzlich ganz viel Kultur und Unterhaltung. Die Konzert – und Gastspieldirektionen der DDR erhielten den Auftrag nach Folklore- und Trachtengruppen zu suchen, die täglich die Gäste unterhielten. Selbst diese Form staatlicher Kontrolle hatte positive Seiten. Auf diese Art und Weise blieb mancher Gruppe der Untergang erspart, denn sie mussten sich jedes Jahr neu fordern, neue Programme einstudieren, alte Tanzbeschreibungen und Liederbücher wälzen, um den jährlich wiederkehrenden Gästen nicht immer dasselbe Programm anzubieten. In Zusammenarbeit mit den staatlichen Folkloreensembles und durch die Förderung der Betriebe entstanden somit leistungsfähige Gruppen, die auch als Botschafter der Kultur ins sozialistische Ausland geschickt werden konnten. Nach 1980 wandelte sich ganz langsam das Verständnis zur Volkskultur in der Schule. Arbeitsgemeinschaften im Volkstanz führten wieder Kinder an Tanz und Tracht heran. Dass diese Gruppen meistens russisches oder polnisches Liedgut, statt deutscher Folklore pflegten, gehörte zum Verständnis der DDR die die Freundschaft zur Sowjetunion und den sozialistischen Bruderländern als ideologische Grundlage formulierte. Überall im Lande gab es Tanzhäuser und Ballettschulen, die von Choreografen betreut, höchste volkstänzerische Qualität hervorbrachten und die in eigens für diese Ensembles geschriebenen Stücken Folklore, Tanz und Brauchtum vermittelten. So entstand zum Beispiel unter der Leitung von Änne Goldschmidt die „Thüringer Bauernhochzeit“, eine fantastische Choreografie alter überlieferter Thüringer Tänze und dazu eine flotte Mischung moderner Elemente.
Wechmarer Brautpaar

Wechmarer Brautpaar mit Trachten um 1780, dazu der Hochzeitsbitter und eine Brautjungfer mit Goldhaube

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Die 1895 gegründete Trachtengruppe Finsterbergen, die drei Jahre jüngere Folklorevereinigung Alt Ruhla oder die Trachtengruppe Tabarz, die zum 1. Thüringer Trachtenfest 1908 in Reinhardsbrunn erstmals debütierte, haben die Zeiten der DDR überlebt. Andere, wie zum Beispiel die Trachtengruppe des Köhlerdorfes Schmerbach, die Mühlberger Trachtengruppe mit ihrem prächtigen Taufzug, oder viele Gruppen des Altenburger Landes, sind in der DDR entschwunden und bis heute nicht wieder zu neuem Leben erwacht.

Die Entwicklung seit der deutschen Einheit


Mit der Wiedererlangung der Deutschen Einheit begann eine vielfältige freie Entwicklung der Heimat- und Trachtengruppen. Die traditionellen Vereine führten Gründungsversammlungen durch und gingen in die Eigenständigkeit. Sie fanden sehr schnell Gleichgesinnte in Hessen und Niedersachsen, die Südthüringer orientierten sich nach Franken und es entstanden bis heute bestehende Freundschaften, die durch gemeinsame Veranstaltungen gefestigt werden.
Doch mit der Einheit kam es auch zu einem Boom von Neugründungen. Allein im Eichsfeld entwickelten sich innerhalb weniger Jahre zwanzig neue Vereine. Sehr oft war ein neues Heimatverständnis Grund für diese neuen Entwicklungen. Die Menschen in den kleinen Dörfern, bewahrten sich mit ihren Heimat- und Trachtenvereinen eine gewisse Eigenständigkeit, suchten alte Trachten heraus und es begann die Zeit liebevoller Restaurierungen. Gab es in Thüringen im Jahre 1990 rund fünfzehn Heimat- und Trachtenvereine, so sind im Jahre 2003 allein 81 Vereine im Thüringer Landestrachtenverband organisiert.
 
Die Thüringer Entwicklung war von mehreren Faktoren bestimmt. Erstens gab es bereits viele Gruppen, die sich 1993 in Mittelthüringen zusammen schlossen, zweitens fand 1994 in Wechmar das 1. Gesamtdeutsche Bundes-trachtenfest statt. Dieses Fest hat der Trachtenbewegung im wiedervereinigten Deutschland zum Durchbruch verholfen. In dem 1.700 Einwohner zählenden Dorf Wechmar im Gothaer Land trafen sich 178 Trachtenvereine aus ganz Deutschland und aller Welt, insgesamt wurden 7.500 Teilnehmer von 50.000 Gästen gefeiert. Nach dem Fest schlossen sich Landesverbände aus Hessen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg dem Deutschen Trachtenverband e.V. an. Im Thüringischen liegt damit der Grundstein zur bundesweiten Ausstrahlung des einst fast nur bayerisch ausgerichteten Bundesverbandes. Die ehemaligen Folklorezentren in Rudolstadt und Erfurt gründeten ebenfalls eigenständige Vereine und schlossen sich auf Bundesebene der Deutschen Gesellschaft für Volkstanz an. Ihre Ausrichtung liegt auf der Darstellung choreografischer Tänze, des Kunsttanzes sowie des Sport- und karnevalistischen Tanzes. Der Volkstanz weicht immer hier stärker internationalen Einflüssen, so dem Irish Folk.
So positiv wie in Thüringen verlief die Entwicklung nicht überall. In Mecklenburg-Vorpommern schlossen sich die existierenden 15 Gruppen dem Mecklenburgischen Heimatbund e.V. an (er ist im Deutschen Trachtenverband), in Sachsen-Anhalt sind Gruppen im Landestrachtenverband Niedersachsen organisiert, teilweise suchen Gruppen die Annäherung nach Thüringen. In Sachsen, wo sich 1888 der erste Trachtenverein Deutschlands in Chemnitz gründete, sind Heimat- und Trachtenvereine Mangelware. Sehr stark sind hier die Erzgebirgsensemble, hervorgegangen aus den Bergmanns- und Hüttenvereinen und die sorbischen Gruppen, die seit Jahrzehnten in der DOMOWINA eine Heimat gefunden haben. Auch die Trachtenvereine aus dem Cottbuser Raum sind im Dachverband der DOMOWINA, einzelne Gruppen im Fläming oder in Jüterbog werden durch den Deutschen Trachtenverband e.V. betreut und hätten gern einen eigenen landesweiten Dachverband.
 
Eine besondere Entwicklung in den letzten dreizehn Jahren vollzog sich in einzelnen Regionen in der Restaurierung der Trachten. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang, insbesondere in der Bekleidungs- und Spielzeug-industrie, sind sehr viele bisher vollbeschäftigte Frauen in den neuen Bundesländern arbeitslos geworden. Auf ihrer Suche nach einer neuen Beschäftigung boten sich insbesondere bis zum Jahre 1994 vielfältige Möglichkeiten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Ob im thüringischen Königssee, im anhaltinischen Wittenberg überall schossen ABM-Restaurierungswerkstätten aus dem Boden. Teilweise, wie zum Beispiel in Schalkau, auf sehr guter fundierter volkskundlicher Forschung, jedoch sehr oft auch unter fehlender fachlicher Hand. Nur in wenigen Fällen ist es gelungen aus den ABM-Projekten einen Verein zu entwickeln, der bereit ist, die hergestellte Tracht auch zu tragen und sich bürgerschaftlich zu engagieren. Das Projekt Thüringer Schmuck „Malschatz“ aus Tabarz ist eine gelungene Entwicklung der letzten Jahre. Einst als Projekt gefördert, ist die Gruppe um Karin Stiefel heute ein selbständiges Unternehmen, welches historischen Schmuck zur Tracht, aber auch Modernes fertigt. Ihr ist mit dem Unternehmen „Malschatz“ der Sprung aus der öffentlichen Förderung in die Marktwirtschaft gelungen. Neben solchen geförderten Projekten gab und gibt es sehr viele kleine private Initiativen, die sich der Erhaltung der Trachten verschrieben haben, die alte Schnitte aufsuchen und liebevoll jedes Detail anfertigen. Heute gibt es keine Werkstätten mehr, die als öffentliche Beschäftigungsmaßnahme Trachten restaurieren.
 
Die bodenständige Kultur in den jungen Bundesländern hat sich in den letzten Jahren fast völlig gewandelt. Die Rückbesinnung auf Traditionen, auf die Ortsgeschichte, die Wissbegierigkeit der Jugend an alten Sitten und Bräuchen, die Treffpunkte in liebevoll restaurierten Kirchen und Denkmalen, all das ist Ausdruck einer neuen Lebensweise. „Junge Leute brauchen Liebe“ sang einst der heute fast hundertjährige Johannes Heesters in seinem gleichnamigen Film, aber junge Leute brauchen auch Heimat und Heimatgefühl. Das größte Problem der jungen Länder und ihrer vielfältigen Vereinslandschaft von der Tracht bis zum Sport liegt heute darin, dass junge Menschen in ihrem Heimatort und der näheren Umgebung keine Lebensperspektive sehen – sie finden keine anspruchsvolle Arbeit. Junge Menschen zieht es in die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Ballungszentren nach Stuttgart, Frankfurt/Main oder Hamburg. Hier finden sie Arbeit, verdienen gutes Geld und können sich etwas leisten. Doch finden sie dort auch eine Heimat? Diese Frage ist schwer zu beantworten und unterliegt sicherlich auch dem Zeitempfinden. Festgestellt werden muss, diese Entwicklung ist keine Erfindung von heute, sie gab es schon einmal. Vor mehr als 120 Jahren gründeten sich Deutschlands erste Trachtenvereine, ihre Gründungsväter und –mütter sind Auswanderer, die dem kargen Leben in Bayern den Rücken kehrten, neue Arbeit suchten und in Chemnitz, Leipzig oder dem Ruhrgebiet ihre neue Heimat fanden.
 
Wer sich mit Tradition und Brauchtum, mit Mundart und Sprache, mit Volkstanz und historischem Theater beschäftigt, wer sich für Natur und Denkmal einsetzt, der verdient die Anerkennung der Gesellschaft – Wertschätzung durch Worte und Taten. Eine entwickelte Gesellschaft braucht den mündigen Bürger der sich vielseitig engagiert, dem eine gute Arbeit die Plattform für bürgerschaftliches Engagement und Nächstenliebe ist und der weiß, wo die Wurzel aller menschlichen Kraft liegt – in der Heimat.
 
Die Welt hat sich verändert, doch als Fazit bleibt: Eine Gruppe, ein Verein lebt immer von den Menschen, die sich mit Leib und Seele ihrem Vereinszweck verschrieben haben. Eines ist jedoch klar – im modernen Verein, damals wie heute braucht es einen Leithammel, der eine hoch motivierte Herde anführt und sie immer wieder mit neuen Visionen begeistert. Allen die guten Willens sind wünsche ich deshalb viel Spaß im Verein, wir im Ehrenamt wissen, Arbeit im Amt haben wir genug, doch mit der Ehre (Ehrung) geht man meist zu sparsam um.
 
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