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Pressespiegel
Musikalische Grundausbildung muss im Kindergarten beginnen
Eine Liaison von Bier und Mundart
Haus der Heimat auf Sparliste
Musikalische Grundausbildung muss im Kindergarten beginnen
Baden-Württemberg hört man immer wieder sagen, sei in Deutschland
das „Musikland Nr. 1“. Was insbesondere Politiker der
Regierungsparteien mit Stolz vermerken, hält in Teilbereichen
auch einer genauen Überprüfung stand.
Fünf Musikhochschulen gibt es in Baden-Württemberg, sieben
Musikakademien hat man eingerichtet – andere Bundesländer
wären manchmal schon froh, sie hätten von beiden Institutionen
wenigstens eine! Mehr noch: Jeder dritte Bundespreisträger von
„Jugend musiziert“ kommt aus dem Südwesten, und die
Intensität, mit der man sich in Baden und Schwaben der Laienmusik
zuwendet, findet – Bayern ausgenommen – nirgendwo ein
Pendant.
Wie aber verhält es sich mit der Nachwuchsförderung, mit
dem Bemühen also, all das Erreichte auch zu bewahren? Die nicht
unerheblichen Gelder, die etwa in die Laienmusik fließen, sind
in jedem Fall gut angelegt. Sie fördern nämlich nicht allein
vielfältigste Formen der Musik. Bezogen auf junge Menschen leisten
sie zugleich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Qualifikation
des sozialen Zusammenlebens, bis hin zur Drogen- und Gewaltprävention.
Jene fatale Überalterung, die sich in Chören oder im Konzertpublikum
des Landes zeigt, hat viele andere Bereiche der Laienmusik bisher
kaum berührt. Die Probleme beginnen indes an pädagogischen
Hochschulen und an den Musikhochschulen.Seit Jahrzehnten hat man es
nicht vermocht, den Bedarf an fachgerecht ausgebildeten Musiklehrern
für allgemein bildende Schulen zu sichern. Ministeriell geschaffene
Rahmenbedingungen sind daran nicht schuldlos gewesen. Jedoch trifft
die Klage der Musikhochschulen, es kämen nicht hinreichend geeignete
Bewerber, letztlich auch auf eine hausgemachte Misere. Hat man sich
nicht selbst eine primär künstlerische Identität verordnet
und die Schulmusik eher als ungeliebtes Anhängsel gesehen? Gibt
es nicht in Wahrheit Solistenklassen, in denen kaum noch ein Deutscher
studiert? Warum werden immer noch in erheblichem Umfang Künstler
für den weit gehend gesättigten deutschen Bedarf, für
Osteuropa und Fernost ausgebildet, während an den Schulen des
Landes die Fundamente wegzubrechen drohen?
Unter dem Deckmantel von Beamtenrecht und Freiheit der Künste,
so scheint es, hat man die eigene gesellschaftliche Verantwortung
aus dem Blick verloren. Aber jene Breitenarbeit, die mit musikalischer
Spitzenförderung verbunden ist, ist auch an den über 200
kommunalen Musikschulen des Landes gefährdet. Die Zuschüsse
der öffentlichen Hand für die Lehrkräfte sinken 2004
ein weiteres Mal, und musikalische Bildung droht hier zum Privileg
der Eltern zu verkommen, die es sich leisten können, dergleichen
für ihre Kinder noch aus der eigenen Tasche zu bezahlen.
Noch haben wir in Baden-Württemberg was die Musik anbetrifft,
zweifellos eine Spitzenposition inne. Gleichwohl wird man es sich
nicht länger leisten können, auf die Korrektur von Fehlentwicklungen
zu verzichten.
Sinnvoll wäre es, mit einer Reform von unten, mit der vorschulischen
Musikerziehung zu beginnen. Während in vielen Kindertagesstätten
des Landes kaum noch gesungen oder musiziert wird, leisten Nachbarn
wie Österreich und die Schweiz gerade in diesem Bereich Vorbildliches.
Schließlich können Lebensbejahung, Sozialverhalten und
Intelligenzentwicklung kaum optimaler denn durch Musik gefördert
werden – der Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer hat dies jüngst
eindrucksvoll dargestellt.
Eine grundlegende Verbesserung der musikalischen Erziehung in Kindertagesstätten
und Grundschulen würde zugleich eine nachhaltige Investition
in die Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs bedeuten.
Der Autor dieses Textes, Hermann Wilske, ist Präsidiumsmitglied
im Landesmusikrat Baden-Württemberg.
Aus: Nürtinger Zeitung vom 14.10.03
Eine Liaison von Bier und Mundart
Pfiffig und herzerfrischend doppelsinnig sei die Schwabenbräukampagne
„Fließend Schwäbisch“, findet die Mundartgesellschaft
Württemberg. Sie hat den Stuttgarter Brauern in Fellbach (Rems-Murr-Kreis)
die Friedrich-E.-Vogt-Medaille verliehen.
„Flissigs ‘bro:d“ sei der eigene Gerstensaft, „zemmlich
donggl“ und „‘älle welleds“, weil sie
einen „‘morz ‘durschd“ haben, so lautet lautschriftlich
die urschwäbische Werbebotschaft. Und die Kampagne kommt an,
wie nicht zuletzt die massenhafte Rückmeldung bei den Beiträgen
für das von Schwabenbräu angelegte mundartliche „Dictionärle“
zeigt.
Die positive Werbewirkung auf das biertrinkende Schwabenvolk sei aber
nicht der Grund dafür, dass sich die Pfleger der Mundart so für
die Kampagne der Bierbrauer begeistern, sagte Wilhelm König,
erster Vorsitzender der Mundartgesellschaft, bei der Medaillenverleihung
in der Alten Kelter in Fellbach. Es sei die sympathische Pfiffigkeit,
mit der sich die Freuden des Biertrinkens und der Spaß am Schwäbischschwätzen
verbinden. Die Doppelsinnigkeit, wie sie etwa im Kommentar zum Dictionärle
mit der Feststellung „fließend Schwäbisch erfordert
höchste Zungenfertigkeit“ zu finden sei.
Dass hier von unerwarteter Seite auf die sinnliche Qualität,
auf das Ästhetische der schwäbischen Mundart hingewiesen
werde, müsse jeden freuen, der die gängige Charakterisierung
des Schwäbischen als maulfaul, grobschlächtig oder derb
unzutreffend und ärgerlich finde. Ansprechende Plakate und ein
forscher Internetauftritt täten ein Übriges, dass ein echtes
Gegenstück zur oft recht musealen Betrachtung der Mundart entstehe.
Aus: Stuttgarter Zeitung vom 04.10.03
Haus der Heimat auf Sparliste
Der Verzicht auf das landeseigene Haus der Heimat könnte 640
000 Euro im Jahr ersparen. Deshalb hat der Rechnungshof Baden-Württemberg
jetzt der Landesregierung vorgeschlagen, die Vertriebeneneinrichtung
in Stuttgart zu schließen.
Finanzkontrolleure, so stellt der Rechnungshof fest, hätten bei
einer Überprüfung des Hauses der Heimat Missstände
festgestellt: es herrschten „organisatorische Mängel sowie
ein erheblicher Personalüberhang“. Von den nominell 18,5
Personalstellen könnten „bei gegebener Aufgabenstellung“
mindestens fünf Stellen abgebaut werden. Außerdem zahlten
die Vertriebenenverbände für ihre Räume im Haus an
der Stuttgarter Schloss-straße eine Vorzugsmiete, die „weniger
als 20 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete“ betrage.
Der Rechnungshof und sein Präsident, Martin Frank, schlagen deshalb
vor, das Haus zu schließen, seine „wirklich unverzichtbaren
Aufgaben“ auf andere Landeseinrichtungen zu übertragen
und verzichtbare Aufgaben abzubauen. Damit könnten von den rund
1,3 Millionen Euro, die zur Förderung der Kulturarbeit der Vertriebenen
ausgegeben würden, 640 000 Euro eingespart werden.
Für das Haus der Heimat und für das Innenministerium des
Landes hat Staatssekretär Heribert Rech diesem Vorschlag postwendend
widersprochen. Die Aufgaben des Hauses, das seit 1976 besteht, seien
„aktueller denn je“. Jeder vierte Baden-Württemberger
stamme von Flüchtlingen, Vertriebenen und Spätaussiedlern
ab. Es sei wichtig, der Generation der Enkel, aber auch der einheimischen
Jugend „die Ursachen und Folgen von Flucht und Vertreibung zu
vermitteln“.
Nach Rechs Angaben hat das Innenministerium einzelne Vorschläge
des Rechnungshofs schon aufgegriffen. Eine Verringerung des Personals
sei eingeleitet, über Mieterhöhungen werde mit den Vertriebenenverbänden
gesprochen. Die Verteilung der Aufgaben des Hauses auf andere Dienststellen
lasse „erhebliche Qualitätseinbußen“ befürchten.
Das Finanzministerium will laut seinem Sprecher Michael Birk den Sparvorschlag
„ganz genau anschauen“. Das gebiete schon die knappe Haushaltslage.
Dass das Haus der Heimat von sich aus Kosten mindere, sei „ein
gutes Signal“. Ob die Zeit allerdings schon reif sei, das Haus
zu schließen, sei fraglich.
Aus: Stuttgarter Zeitung vom 15.07.03
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