Das Allgäu-Schwäbische MusikarchivDas Wissen um die Musik im Allgäu und darüber hinaus in Oberschwaben und bis hinüber nach Vorarlberg resultiert aus einer langjährigen Forschungsarbeit des Autors. Sängerinnen, Sänger und Musikanten wurden befragt und Ton- und Bildbeispiele gespeichert. Auch die Lehrpläne der Schulen verlangen schließlich eine Begegnung mit heimischen, traditionellen Musikbeispielen. Diese Sammeltätigkeit mündete schließlich in das „Allgäu-Schwäbische Musikarchiv“, das inzwischen rund 22 000 Lieder, rd. 12 000 Musiktitel in der EDV erfasst hat und dazu eine stattliche Sammlung Liederbücher und umfangreiche Musikliteratur besitzt, die über eine Datenbank leicht abrufbar sind. Eine riesige Sammlung von Salonmusik verschiedenster Kur- und Stadtkapellen ist daneben noch wenig datenmäßig aufgenommen. Verschiedene Noten-Publikationen und Fachbeiträge hatten aus diesem Fundus in den letzten Jahren von der Bedeutung dieser regionalen Musik berichtet. 1 Seit 2001 ist das Archiv dazu in ein europäisches Schellack-Schallplatten-Projekt mit Österreich, Italien und der Schweiz eingebunden, bei dem die inzwischen rd. 1600 aufgezeichneten Lieder und Musikstücke auf den alten Tonträgern aus den Bauernstuben und vom Flohmarkt die Hörkultur der Region belegen und damit teilweise sogar die Notenaufzeichnungen vom Anfang des 19. Jahrhunderts im Originalklang ergänzen. Von dieser Basis aus hatte sich ein „Musikmuseum“ immer weiter in den Vordergrund geschoben. Einweihung am 12. Oktober 2002 Wie viele Personen an diesem für den Verein großen Projekt mitgearbeitet hatten, wurde bei der Eröffnung deutlich und es schwang auch der Stolz bei den Festreden mit, als ehemalige Eglofser freie Bauern heute noch miteinander ohne große staatliche Hilfe ein solches Teilziel nun präsentieren zu können. Auch wenn Bauernstube, Küche und Waschküche sich noch nicht im endgültigen Zustand den Besuchern zeigen, so können die Räume im oberen Geschoss und im Dachraum schon einen wesentlichen Einblick in die Musikgeschichte der Region bieten. 1. Leben und Musik vom Mittelalter zur Neuzeit
So lautet ein Teil des einführenden Textes zu Bildern und Instrumenten im ersten Zimmer, das von einer übergroßen Darstellung eines bäuerlichen Festes von Daniel Hopfer (1470-1536) bestimmt wird. Der Raum wurde nur wenig restauriert und blieb so im Charakter mit der bemalten Holzverkleidung und dem Dielenboden, wie er Jahrzehnte lang als Wohnraum gedient hatte. Ins Auge fällt eine große, mit grünweißen Zacken verzierte Trommel mit aufgebundener Blockflöte, die nur drei Grifflöcher besitzt - Geschenke einer Gruppe aus Sevilla, wo Einhandflöte und Trommel noch heute bei der Wallfahrt nach Rocio den urtümlichen Reiz des Klangbildes vermitteln, das bei uns vor etwa 500 Jahren anzutreffen war. Der Dudelsack in Gips stammt als Kopie von der Decke des Rittersaales von Schloss Achberg, wo um 1700 noch weitere Abbildungen dieses auch bei uns verbreiteten Instruments anzutreffen sind. 2. Naturtoninstrumente und die große Wende um 1800Die linke Seite des zweiten Raums wird vom langen Alphorn bestimmt, das in früheren Formen als Hirtenhorn bei den Hirtenvölkern weit verbreitet war. Ein Trumscheit, die „Marien“- oder „Nonnentrompete“, ist ihm zur Seite gestellt. Auf ihm konnten von Nonnen in Klöstern, denen das Spiel auf Blechblasinstrumenten untersagt war, ebenfalls die Naturtöne als Flageolettklänge gespielt werden. Diese Naturtöne (Obertöne) lassen sich auf dem speziell angefertigten Monochord anschaulich und hörbar demonstrieren, wie nämlich eine halbe (1/2) Saite die Oktav erklingen lässt = 1. Oberton, 1/3 = 2. Oberton, 1/4 = 3. Oberton usw.. Auf die schwingende Luftsäule der Blasinstrumente ist dieses Phänomen, das die „alten Griechen“ schon kannten, dann leicht übertragbar. Die verschiedenen weiteren Signalhörner zählen zu diesen Naturtoninstrumenten wie die ventillose Fanfare.
Die rechte Seite demonstriert die Veränderungen im Instrumentenbau, die sich fast parallel mit der gesellschaftlichen Revolution vom Absolutismus hin zur Demokratisierung vollzogen. Vom klappenlosen Holzinstrument wandelte sich die Schwegelpfeife hin zur metallenen Böhm-Flöte mit einem komplizierten Klappensystem. Die Klarinette erhielt wie die Oboe eine weiter differenzierte Mechanik. Blechblasinstrumente bekamen Ventile. Aus dem Metallplättchen der Maultrommel entwickelten sich Mund- und Handharmonikas in unendlichen Varianten. Ziel der Musikanten war es, die Tonleiter schließlich chromatisch zu beherrschen, was die Einsatzmöglichkeiten im Zusammenspiel in verschiedenen Tonarten erleichterte und Melodien reicher gestalten ließ. 3. Die „Stubenmusik“
Auch die ersten Erfolge bei der Speicherung von Musik auf Tonträgern gehören mit zur Musikkultur der Region. Wer es sich leisten konnte, ließ „Stubenmusik“ aus einer Spieldose oder später dem Grammophon ertönen. 4. PersönlichkeitenÜber 80 Personen sind auf der Liste der Persönlichkeiten aufgeführt, die im Zusammenhang mit der Musik in unserer Landschaft stehen. Sie beginnt mit Abt Berno und Hermann, dem Grafen von Altshausen, im Reichenauer Kloster, führt weiter über die vielen Komponisten der Klöster Oberschwabens und des Allgäus bis zu den heutigen internationalen Dirigenten Roland Bader aus Wangen und Roger Epple aus Opfenbach, zu Forschern Alfred Quellmalz, aufgewachsen in Isny, und aktuellen Komponisten aber auch zum verstorbenen oberschwäbischen Musikphilosophen Hans Kayser aus Bad Buchau. Von diesen Persönlichkeiten sind über 40 ausführlichere Lebens- und Werkbeschreibungen nachzulesen. Auch der Volksmusikbereich der Region ist vertreten. Kaum bekannte Personen, wie Lehrer und Liedforscher Paul Moser aus
Gezeigt werden im Raum Nr. 4 auch die Musikanten, die mit ihren Berichten und ihren Notenschätzen meist über Jahre hinweg halfen, das Wissen um die regionale Musik zu erweitern. Dazu kommen Persönlichkeiten mit großer Bedeutung für die örtliche Musik . Zu sehen ist weiter in einer alten Seemannstruhe ein besonderer Schatz des Archivs: handgeschriebene Noten aus einem Flötenduo aus „dem 6. Jahr der Französischen Republik“ (1799). Diese Truhe war mit 55 Originalnoten aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts gefüllt – meist Flötenkonzerte oder Hefte für kleinere Besetzungen mit Flöte, fast alle komplett. 5. Sängerinnen und Sänger – die ChöreEinzelpersonen, die sich um die Liedüberlieferung verdient gemacht haben, werden hier aufgeführt mit je einem transkribierten Liedbeispiel. Daneben sind Kirchenchor und Liederkranz Eglofs zwei bedeutende Träger dörflicher Musikkultur seit dem 19. Jahrhundert, die mit einem Kinder- und Jugendchor erst vor Jahren eine jugendliche Ergänzung erhielten. Weiter ist im „Liedzimmer“ der „Kammerchor Waldemar Schiller“ dargestellt, der überörtlich geübte Sängerinnen und Sänger zusammenfasst und es zu einem erstaunlich hohen künstlerischen Chorniveau bringt. Ein altes Harmonium, Notenbeispiele, Instrumente und Bilder demonstrieren diesen vokalen Teil der Musik, der in vielen Gemeinden eine ähnlich wichtige Rolle spielt.6. Die Kirchenmusik
7. Die TanzmusikEin Dorn im Auge der Geistlichkeit des 19. Jahrhunderts war über lange Zeit die weltliche Nutzung der Kirchenmusikinstrumente beim Tanzvergnügen. In kleineren Besetzungen, aber doch Streicher und Bläser gemischt, sind aus Bergatreute eine große Anzahl solcher Noten überliefert.2 Die Emanzipation der Musiker, die Loslösung von der kirchlichen Aufsicht, vollzog sich im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung über die Gründung der weltlichen Musikvereine und der Chöre im 19. Jahrhundert. Im Texthintergrund wird die Entwicklung des Tanzes beschrieben und ist mit vielen Hörbeispielen von kleinen Tanzmusikgruppen der Region vom Ländler, Walzer über Mazurka, Polka usw. bis zum Tanzlied dokumentiert.8. Die Entwicklung der MusikkapellenDie Blasmusik besitzt hier im Allgäu heute eine Bedeutung wie kaum anderswo: fünf Musikkapellen bei rd. 5700 Einwohnern von Argenbühl. Auch in Baden-Württemberg dürfte das Spitze sein, das in Deutschland mit seiner Musikvereinsdichte schon den ersten Platz belegt.Einige Blasinstrumente hängen an Garbenstricken . Auch die Getreidebüschel – die Ähren sind heute von Mäusen abgefressen – erinnern daran, dass nicht nur in den Notzeiten der Weltkriege im Allgäu Getreideanbau eine Rolle spielte. Vor dem Wandel zur Milchwirtschaft im „grünen Allgäu“ war der Getreideanbau wenigstens für die Selbstversorgung von Bedeutung. Aber immer waren Feste und Feiern mit Musik eingebunden in den bäuerlichen Jahreslauf. Das dokumentieren verschiedene Abbildungen. Im Begleittext wird ausführlich darauf eingegangen, wie neben dem Einfluss der Kirchenmusik auch die Militärmusik einen Anstoß zur Gründung von Musikkapellen gab. Die Klappen und Ventile der neuen Instrumente machten diese auch für Laien spielbar. Das kann am Beispiel der bayrischen Landwehrmusiken zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschildert werden. Wenn auch etwas spärlich, so ist doch der Versuch begonnen, auch in der Ausstellung die Entwicklung der Blasmusik über die Einbeziehung von „Holz“, Klarinette, Flöten und Saxophone, in die Musikkapellen aufzuzeigen. In Eglofs geschah das erst nach dem 2. Weltkrieg. Dass die Eglofser Musikanten, hauptsächlich junge, im Jahre 1986 noch gegen die Aufnahme von Mädchen in die Kapelle stimmten, ist in der Vereinschronik am Infostand nachzulesen. Tatsache ist, dass die Mädchen und Frauen inzwischen voll integriert sind wie auch anderswo in den Kapellen. AusblickSo steht nun die erste Säule des zukünftigen Museums, das Gesangvereinen, Musikkapellen und anderen Musikinteressierten aus der näheren und weiteren Umgebung als Ausflugsziel dienen könnte. Schließlich liegt Eglofs in einer Fremdenverkehrsregion vor dem prächtigen Alpenpanorama mit bester Gastronomie. Lehrer werden mit ihren Schulklassen ebenso Musikgeschichte einmal anders erleben können. Didaktisches Material liegt bereit.Ab 9. Mai 2003 wird im Gewölbe des „Schatzkellers“ die Landschaftsgeschichte mit den wichtigsten Gesteinen, Fossilien und Mineralien präsentiert. Und vielleicht kann es über die Formen der Fossilien und Kristalle gelingen, verschiedene Wissenschaftsbereiche interdisziplinär zu verknüpfen. Schließlich sind harmonische Proportionen gleichermaßen bei Pflanzen, Tieren und Kristallen wie in der Musik zu entdecken. Die Darstellung der stolzen Eglofser Geschichte soll im oberen großen Seitenraum des Dorfstadels bis gegen Ende 2003 eine dritte Säule des Museums bilden. Eine reiche Sammlung von Ofenkacheln bildet einen weiteren Ausstellungsschwerpunk im Eglofser Museum. Die Öffnungszeiten: Sonntags von10-12, 13.30-16 Uhr oder nach Anmeldung (Tel. 07566-1513 oder 1400). Weitere Informationen über Internet: www.eglofs.de. Anmerkungen
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