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Den Norwegerinnen ist ihre Volkstracht lieb - und teuer
Ein staatlicher Rat überwacht streng die Muster des Bunads
- Sogar die Kronprinzessin ist gerüffelt worden
Mit Bunaden ist nicht zu scherzen. Der Streit um die rechte Volkstracht
hat in Norwegen Familien entzweit und Gerichtsverfahren ausgelöst.
Am heutigen Nationalfeiertag wird das teure Stück im ganzen Land
getragen.
Kristina ist eine smarte 15-jährige, die sonst mit tief taillierten
Jeans und nabelfreiem Top herumläuft. Doch zu ihrer Konfirmation
wird sie Bunad tragen, wie einst schon ihre Großmutter. Bunad
ist die norwegische Volkstracht, oder besser gesagt: eine Volkstracht
in Norwegen, denn Bunad ist nicht Bunad, sonst abhängig vom Herkunftsort
seiner Trägerin. Der Bunad Kristinas ist schwarz, mit purpurner
Schürze und gleichfarbigen Borten und Stickmustern. Oma und Opa
sind mit Kristina in den Trachtenladen gekommen und filmen die Anprobe
auf Video.
Das ist ein großer Tag. "Alle in meiner Klasse haben einen
Bunad, jetzt habe ich auch einen", sagt der Teenager und birgt
die sonst frei fallenden langen blonden Haare sittsam unter dem zugehörigen
Häubchen. 19. 000 Kronen kostet die Großeltern die Ausstattung
ihrer Enkelin, umgerechnet mehr als 2.500 Euro, und damit sind sie
noch gut bedient. Die Kosten so einer Volkstracht können sich
rasch aufs Doppelte belaufen.
Und dennoch hat Norwegen in den letzten Jahren einen wahren Bunad-Boom
erlebt, der kennzeichnend ist für den gestiegenen Wohlstand in
dem Erdölland, aber auch für das gewachsene Nationalgefühl.
So wird der Bunad zwar bei Hochzeiten, Konfirmationen oder Begräbnissen
getragen, die wahre Hoch-Zeit der Tracht aber ist der 17. Mai, an
dem die Norweger ihren Nationalfeiertag begehen. Das ganze Volk ist
auf den Beinen, um mit rot-weiß-blauen Fähnchen, Umzügen
und Blasmusik sich selbst zu feiern.
Mit Bunaden ist nicht zu scherzen. Der Streit um die rechte Volkstracht
hat sogar schon Gerichtsverfahren ausgelöst. Eifersüchtig
bewahren lokale Komitees ihr Alleinrecht auf Farben und Ornamente.
Mit Argusaugen wacht der staatliche Volkstracht-Rat - auch "Bunad-Polizei"
genannt - darüber, dass die Kragen und Bänder, Westen und
Gürtel, Borten und Knöpfe den originalen Mustern entsprechen.
"Die Leute können nähen und tragen was sie wollen",
sagt die "Oberpolizistin" Magny Karlberg. "Aber dann
sollen sie nicht daherkommen und glauben, sie hätten einen Bunad
an." Selbst Kronprinzessin Mette-Marit erhielt einen Rüffel,
als sie in einer "Phantasietracht" zu einer Konfirmation
erschien. "Wer repräsentiert, muss die echte Ware zeigen",
rügte die Bunad-Expertin Tove Gulsvik. Und Königin Sonja
bekam die gelbe Karte der "Bunad-Polizei", als sie zu einer
an sich perfekten Tracht Sonnenbrille trug. Das tut man nicht. Wie
auch Ohrgehänge oder starke Schminke verpönt sind.
Nur Hohn haben die Puristen für neureiche Trägerinnen übrig,
die sich eine teure Telemark-Tracht kaufen, wo sie doch selbst aus
Vestfold stammen. Wer einen Bunad nähen will, muss dafür
einen eigenen Kurs belegen. Die fertige Tracht wird nicht angezogen.
Sie wird "montiert".
Der Wert des norwegischen "Bunad-Parks" wird auf 30 Milliarden
Kronen geschätzt. 4000 Millionen Euro! Mit Argwohn beäugen
die Trachtenhüter den in Blickweite des Königsschlosses
gelegenen Laden des aus Schanghai stammenden Aching. Der hat zwar
den Namen gewechselt, heißt jetzt urnorwegisch John-Helge Dahl
und sein Laden "Norske Bunader". Er hat einen Bunadkurs
absolviert und die originalen Muster sticken gelernt. Doch arbeiten
lässt er daheim in China. Und "richtig" ist das nicht.
Andererseits bietet Aching-Dahl seine Trachten für ein Viertel
der Originalware an, was seinem Geschäft einen Riesenerfolg beschert
hat.
Aus: Stuttgarter Zeitung, vom 17. Mai 2002
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