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Das schönste Land in Deutschlands Gau’n
Badner-, Württemberg- und Zollernlied


Ein Plädoyer für unsere historischen Landeshymnen von Waltraud Linder-Beroud


Dr. Waltraud Linder-Beroud ist seit 1975 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg. Ihre Arbeitsgebiete und Forschungsschwerpunkte sind:
Betreuung der Lieddokumentation (Liedtypenmappen), Aufbau eines Dichter- und Komponistenkatalogs, Ausbau von Liedincipit- und Motivkatalog, Auskunftstätigkeit, Besucherbetreuung, Rezeptions- und Wirkungsforschung zu einzelnen Liedern und zum lyrischen Werk einzelner Dichter,Interdependenzforschung (Kunstlied – Volkslied), Motivforschung, interkulturelle Liedbeziehungen Deutschland-Frankreich, Französische Volksliedforschung


Baden-Württemberg feiert derzeit sein fünfzigjähriges Bestehen, aber ein Lied, das ein Wir-Gefühl zwischen den Bewohnern seiner drei Landesteile schaffen könnte, gibt es bis heute noch nicht. Nach wie vor ertönt in Baden bei allen denkbaren Anlässen „Das schönste Land in Deutschlands Gau’n“, während man sich in Württemberg sowie im ehemaligen Hohenzollern (Hechingen und Sigmaringen) nur noch gelegentlich auf die historischen Landeslieder „Preisend mit viel schönen Reden“ oder „Nicht weit von Württemberg und Baden“ rückbesinnt. Längst hat die schwäbische Eisenbahn, gefolgt vom grasenden Hasen („Auf em Wase“) oder vom Spätzleloblied („Kennst du das Land, wo jeder lacht“) dem „reichsten Fürsten“ sowie dem Zollernlied den Rang als populärste schwäbische Regionalhymne streitig gemacht.Das trifft auf das „Badnerlied“ ganz und gar nicht zu, im Gegenteil: Es wird in den badischen Hochburgen Freiburg und Karlsruhe, aber auch anderswo im badischen Ländle immer wieder von auftretenden Musikkapellen verlangt oder spontan gesungen - aus welchen Gründen auch immer (Gefallen an Text und Weise, Identifizierung mit dem Liedinhalt, stellvertretender Ausdruck regionaler Identität, Protesthaltung gegenüber Stuttgart).
Trotz der Einwände von Kritikern, denen es zum einen wegen der Festung Rastatt, zum andern wegen derber, in letzter Zeit überhand nehmender Zusatzstrophen auf die Schwaben, ein Dorn im Auge ist.

Baden-Württemberg-Hymnen

Das dürfte nun anders werden, vorausgesetzt, die eigens zum 50jährigen Baden-Württemberg-Jubiläum komponierte und in der TV-Sendung „Fröhlicher Feierabend“ (mit Heinz Siebeneicher, Südwestrundfunk, 26. April) ausgestrahlte, von prominenten Vertretern des Schlagergeschäfts und öffentlichen Lebens in Begleitung eines badischen sowie eines schwäbischen Chors interpretierte Baden-Württemberg-Hymne „In Deutschlands tiefem Süden“, lässt die drei traditionellen Landeslieder vollends in Vergessenheit geraten:
 
1. Vor langer Zeit gab’s manchen Ärger und bisweilen Streit,
Bis einer rief: „Mensch, hört doch auf! Es leb die Einigkeit!
Lasst uns ein starkes Ländle bau‘n, ein Land so schön wie heute,
In dem ganz Deutschland Urlaub macht, ein Land voller froher Leute.“
 
2. Vergessen ist der dumme Streit, der uns so lang gequält,
Bevor die Bad‘ner Mädele mit Schwaben sich vermählt.
Da gehen Küsse hin und her, ob Gälfuß, Schwobeseckel,
Und einmal mehr, da zeigt es sich: Aufs Töpfle paßt der Deckel.
In Deutschlands tiefem Süden, da liegt das schöne Land,
Uns allen, die wir’s lieben, ist dieses wohlbekannt.
Vom Schwarzwald bis zum Bodensee, von Stuttgart bis zum Rhein;
Im Ländle Baden-Württemberg, ja da sind wir daheim.
 
3. Ein jeder Weinfreund weiß genau, hier wächst der beste Wein.
Kein Wunder, denn er wird verwöhnt von recht viel Sonnenschein,
Und fleißig sind wir allesamt, die Badner wie die Schwaben,
Doch ist die Arbeit dann getan, will Freude man auch haben.
 
4. Mit Schiller, Hebel, Hölderlin, das Land hat große Geister,
Und voller Stolz erfreu’n wir uns am Werk der großen Meister.
Von Freiburg grüßt der Münsterturm, von Ulm der Turm nicht minder,
In Stuttgart ist der Teufel stolz auf seine Landeskinder.
In Deutschlands tiefem Süden ...
 
Ob diesem volkstümlichen Schlager (Text: Michael Schirmann, Musik: Karlheinz Barbo) mit dem eingängigen Refrain mehr Erfolg beschieden sein wird als dem 1986 vom Fernsehpublikum auserkorenen Siegertitel des großangelegten baden-württembergischen Liederwettbewerbs oder aber dem im Herbst vergangenen Jahres verkündeten Plan eines Politikers aus dem Kraichgau, die versöhnliche Schlussstrophe der Badnerlied-Version von Siegfried (Freddy) Gabler (1980) dem Badnerlied offiziell anzuhängen?
 
[4.]
Wem heute fern vom Heimattal
Die fremde Sonne scheint,
Weiß nicht, dass unser Badnerland
Mit Württemberg schon lang vereint.
Wir grüßen dich, du Schwabenland,
Vereint mit unserm Badnerland,
Reicht euch die Hand, reicht euch die Hand,
Ein dreifach Hoch unserm Heimatland.
 
Dem besagten Wettbewerb von 1985/86 war ein Aufruf des Süddeutschen Rundfunks vorausgegangen, der ein unerwartetes Echo zur Folge hatte. Über 450 Lieder gingen beim Sender ein, unter anderem die folgende zusammengesetzte Version:
Preisend mit viel schönen Reden,
Singen wir jetzt Hand in Hand:
Das schönste Land in Deutschlands Gauen,
Das ist mein Baden-Württemberger Land!

Nach einem komplizierten und langwierigen Auswahlverfahren durch Berufene wie Laien hatten es zehn Titel in die Endrunde geschafft, unter denen schließlich unter Mitwirkung des Fernsehpublikums „Baden-Württemberg ist unser Land“ aus der Feder von Josef Weiß aus Murr a.d. Murr zum Siegertitel erhoben wurde:

1. Baden-Württemberg ist unser Land,
In dem wir gerne leben.
Vom Main und Rhein zum Bodensee
Erfreu'n uns Wald und Reben.
Die Bad'ner und die Schwaben
Zum Land vereint sich haben.
Gemeinsam stolz und Hand in Hand:
Baden-Württemberg ist unser Heimatland.

2. In vielen Liedern singen wir
Vom Land und seinen Gauen.
Auf Geist und Kunst, auf Fleiß und Mut
Laßt uns die Zukunft bauen,
Den Weg nach vorne finden
Und Alt und Neu verbinden. Gemeinsam stolz ...
3. Gepriesen oft im Dichterwort
Sind Freiheit, Recht und Sitte
Von Schiller, Hebel, Hölderlin,
Sie lenken uns're Schritte.
In Frieden woll'n wir leben
Mit Glück und Gottes Segen.
Gemeinsam stolz ...
 
Von den Baden-Württembergern angenommen wurde das Lied aber nicht, trotz wiederholter Ausstrahlungen im Rundfunk. Ob der zweite Versuch, diesmal offenbar eine Auftragsarbeit, ebenso im Sande verlaufen wird? Das wäre nicht verwunderlich; denn abgesehen vom Lied an sich – über Geschmack lässt sich streiten – erhebt sich die Frage: Wozu ein gemeinsames Lied ohne ein - von Politikern heute in jeder Jubiliäumsveranstaltung eingefordertes – „Wir-Gefühl“? Sind unsere traditionellen Regionalhymnen, in denen die politische Vergangenheit der drei Landesteile tradiert wird - Geschichte im Lied – für das Geschichtsbewußtsein und -verständnis künftiger Generationen nicht ebenso bedeutsam und erhaltenswert? Im folgenden ein Streifzug durch die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der drei inoffiziellen Landeshymnen von Baden-Württemberg; zunächst das älteste, das Württemberglied:
 

„Der reichste Fürst“

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Preisend mit viel schönen Reden

Bild: Archiv Wulf Wager

1. Preisend mit viel schönen Reden
Ihrer Länder Wert und Zahl
Saßen viele deutsche Fürsten
Einst zu Worms im Rittersaal.
 
2. Herrlich, sprach der Fürst von Sachsen,
Ist mein Land und seine Macht,
Silber hegen seine Berge
Wohl in manchem tiefem Schacht.
 
3. Seht mein Land in üpp'ger Fülle,
Sprach der Kurfürst von dem Rhein,
Gold'ne Saaten in den Tälern,
Auf den Bergen edler Wein.
 
4. Große Städte, reiche Klöster,
Ludwig, Herr zu Bayern, sprach,
Schaffen, dass mein Land den euren
Wohl nicht steht an Schätzen nach.
 
5. Eberhard, der mit dem Barte,
Württembergs geliebter Herr,
Sprach: mein Land hat kleine Städte,
Trägt nicht Berge silberschwer.
 
6. Doch ein Kleinod hält's verborgen:
Dass in Wäldern noch so groß
Ich mein Haupt kann kühnlich legen
Jedem Untertan in'n Schoß.
 
7. Und es rief der Herr von Sachsen,
Der von Bayern, der vom Rhein:
Graf im Bart, ihr seid der reichste,
Euer Land trägt Edelstein!
 
Die historische Sagenballade auf Graf Eberhard V., genannt im Bart (1445-1496) aus der Feder des schwäbischen Spätromantikers Justinus Kerner (1786-1862) ist zuerst im „Morgenblatt für gebildete Stände“ (Stuttgart 1818) veröffentlicht und wird zur Weise des einst populären Bänkelliedes „In des Waldes tiefsten Gründen“ gesungen. Kerner schöpfte den Stoff aus der historischen Sage über die Fürstenversammlung zu Worms (1495), bei der Eberhard in Anerkennung seiner Leistungen von König Maximilian I. zum ersten Herzog von Württemberg erhoben wurde. Der aus der Uracher Linie der „Wirtemberger“ stammende Fürst musste bereits im Alter von 14 Jahren die Nachfolge seines früh verstorbenen Vaters antreten und hat knapp vier Jahrzehnte lang das Land regiert. Er beendete durch Festsetzung des Rechts der Erstgeburt nicht nur die Teilung Württembergs, das jahrzehntelang in einen Stuttgarter und einen Uracher Zweig zersplittert war, sondern war auch ein großer Förderer von Kultur und Wissenschaft. So schuf er beispielsweise mit der Gründung der Universität Tübingen (1477) wichtige Grundlagen für die weitere Entwicklung des Landes.
Noch Jahrhunderte später verkörperte Eberhard in der Volksüberlieferung das Ideal des volksnahen und gerechten Landesvaters in einem friedlichen Staat. Kein Wunder, dass sein Loblied in den 1840er Jahren des Vormärz sprunghaft in Liederbüchern und Liedflugschriften anstieg und bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts auffallend oft in Schul-, allgemeinen Gebrauchsliederbüchern sowie Kommersbüchern stand. „Kein Württemberger, kein Schwabe, der das Lied nicht mit Inbrunst gesungen hätte“, erinnert sich Lutz Röhrich in seinem Festvortrag anlässlich des 75jährigen Jubiläums des Deutschen Volksliedarchivs (1989). „Der reichste Fürst“ ist im Bewusstsein der älteren Württemberger das historische Landeslied, das aber nur noch selten offiziell vorgetragen und gelegentlich in Gesangvereinen gepflegt wird. Dies trifft auch für das Zollernlied zu.

Das Zollernlied

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Das Zollernlied

1. Nicht weit von Württemberg und Baden
Und von der wunderschönen Schweiz,
Da liegt ein Berg so hoch erhaben,
Den man den Hohenzollern heißt.
Er schaut herab so stolz und kühn
Auf alle, die vorüberziehn.
Auf Hohenzollerns steilen Felsen,
Wo unverzagt die Eintracht ruht.
 
2. Von diesem Berg, da geht die Sage,
Die sich durchs ganze Land erstreckt,
Ein jeder Vater kennt die Plage,
Die sich auf seinen Sohn erstreckt.
Er schickt ihn fort ins fremde Land,
Sein Liebchen glaubt, er sei verbannt.
Auf Hohenzollerns ...
 
3. Und kommt die langersehnte Stunde,
Die uns zur Heimat wieder ruft,
Dann rufen wir aus frohem Munde
Dem stolzen Hohenzollern zu,
Dann rufen wir: O Heimatland,
Wie ist mein Herz an dich gebannt!
Auf Hohenzollerns ...
 
Die erste Strophe des Zollernliedes beginnt mit einer charakteristischen Eingangsfloskel von Heimathymen, nämlich der räumlichen Begrenzung der besungenen Landschaft. Sie endet mit dem geographischen und inhaltlichen Höhepunkt, dem hohen und sagenumwobenen Hohenzollernfelsen, „wo unverzagt die Eintracht ruht“. Auf ihn sind die Blicke der Vorüberziehenden gerichtet, er ist der ruhende Pol inmitten des unruhigen Geschehens draußen in der Welt. Das Lied handelt von Abschied und Heimkehr, Angst und Hoffnung des Soldaten und seiner Angehörigen und hat wie das Württemberglied einen historischen Hintergrund. 1849 entsagten die Fürsten von Sigmaringen und Hechingen der Regierung ihrer Erbländchen, die kraft alter Erbverträge von 1691 und 1707 an Preußen fielen. Dieser bedeutsame Einschnitt in die Geschichte beider Fürstentümer ist hier im Bild vom Soldaten, der zum Kampf in die Fremde ziehen muss, ausgedrückt.
Die genaue Herkunft des zur Weise eines alten Reservistenliedes gesungenen Liedes ist mangels früher gedruckter Überlieferung bis heute noch nicht geklärt. Die Lokalforschung war sich aber bereits um 1900 darin einig, dass es anlässlich der Übergabe von Hechingen und Sigmaringen an Preußen entstanden ist. Ob es nun bereits 1849 von einem namentlich bekannten Postpraktikanten oder etwas später von einem Soldaten aus Hechingen stammt, der es um 1860 beim Abschied aus dem Dienst in einem hohenzollernschen Regiment in Saarlouis den Kameraden gewidmet haben soll, spielt eigentlich nur noch eine sekundäre Rolle.
„Nicht weit von Württemberg und Baden“ wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch einheimische Soldaten sowie durch Handwerksburschen auf der Walz über den süddeutschen Raum hinaus in ganz Deutschland verbreitet und war eines der populärsten Heimatlieder der Zeit, wenngleich es in Liederbüchern selten zu finden ist. Noch um 1900 wird ihm als treffender Ausdruck eines Zoller-Schwaben, der 1849 an Preußen gekommen und fortgenommen wird ins ferne Land, Symbolcharakter zuerkannt.
 

Das Badnerlied

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Das Badnerlied

Das Badnerlied, das Loblied auf die historische und ökonomische Bedeutung Badens, auf die Schönheit seiner Landschaften sowie das „savoir vivre“ seiner Bewohner, hat im Unterschied zu den andern beiden Landesliedern mehrere Popularitätsschübe erlebt. Nur: so populär es heute noch oder wieder ist, so umstritten ist es auch. Aber ist das Badnerlied nicht mehr als ein reaktionäres Überbleibsel aus Großherzogs Zeiten oder ein antischwäbisches Politikum (das es ursprünglich überhaupt nicht war)?
 
1. Das schönste Land in Deutschlands Gaun,
Das ist mein Badner Land.
Es ist so herrlich anzuschaun
Und liegt in Gottes Hand.
Drum grüß ich dich mein Badner Land,
du edle Perl’ im deutschen Land!
Frisch auf, frisch auf, frisch auf, frisch auf,
Frisch auf, frisch auf mein Badner Land!
 
2. In Haslach gräbt man Silbererz;
Bei Freiburg wächst der Wein,
Im Schwarzwald schöne Mädchen:
Ein Badner möchte ich sein!
Drum grüß ich dich ...
 
3. Der Bauer und der Edelmann,
Das liebe Militär,
Sie sehn einander freundlich an;
Und das ist Goldes Wert!
Drum grüß ich dich ...
 
4. In Karlsruh ist die Residenz,
In Mannheim die Fabrik,
In Rastatt ist die Festung,
Und das ist Badens Glück!
Drum grüß ich dich ...
 
5. Alt-Heidelberg, du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine,
Keine andre kommt dir gleich!
Drum grüß ich dich...
 

Alte badische Volksweise?

1915 wird die Melodie in einem Schulliederbuch als „alte badische Volksweise“ bezeichnet. Sie stimmt anfangs mit dem Württemberg-Lied („Preisend mit viel schönen Reden“) überein, der appelative Schlusstakt erinnert an die Marseillaise. Ob die Weise mit der „Badischen Volkshymne“ (1844) von Ludwig Bräutigam, Kapellmeister im 1. Badischen Leibgrenadier-Regiment in Karlsruhe, übereinstimmt, ist noch zu ergründen. Der Text wurde wiederholt dem Gernsbachers Dichter und ehemaligen „Capitano“ Ludwig Löhlein zugeschrieben, der 1891 die „Badische Hymne" („Ein heißes Flehn steigt, Gott, zu Dir“), eine unter vielen Fürstenverherrlichungen des 19. Jahrhunderts, verfasst hat.
Die Ursprünge des Badnerlieds sind aber auch in einem Sachsenlied des 19. Jahrhunderts zu suchen, das erst nach längerem Umlauf in den 1880er Jahren in Liederbüchern erschien und bereits nach der Jahrhundertwende wieder in Vergessenheit geraten war.
 
1. Das schönste Land auf Deutschlands Aun
Ist wohl mein Sachsenland;
Wie herrlich ist es anzuschaun,
Beschirmt von Gottes Hand!
Drum lieb’ ich dich, mein Sachsenland,
Du edle Perl im deutschen Kranz;
Glückauf! Glückauf! Glückauf mein Sachsenland!
 
2. In Freiberg wächst das Silber,
In Meißen wächst der Wein,
Im Gebirg gibts schöne Mädchen
Ein Sachse möcht ich sein.
 
3. Der Bürger und der Bauersmann
Sie ehren den Soldat,
Sie schaun einander freundlich an
Und reichen sich die Hand.
 
Kein Einzelfall. Die meisten Heimatlieder und –hymnen wurden und werden stets von neuem im Volksmund von einer Region auf die andere „umgesungen“. Neu hinzugekommen sind im Falle des Badnerlieds die Residenz- und Heidelbergstrophe („In Karlsruh‘ ist die Residenz“, „Alt-Heidelberg, du feine“); die im Sachsenlied, übrigens nur eines von vielen Sachsenliedern des 19. Jahrhunderts, fehlen.
„In Karlsruh‘ ist die Residenz...“
Die rätselhafte Herkunft des Badnerliedes hat im Laufe seiner Wirkungsgeschichte zwei unterschiedliche Entstehungshypothesen aufkommen lassen: Etwa ob es nicht im Zusammenhang mit der Badischen Revolution 1848/49 oder gar bereits im frühen 19. Jahrhundert im Zuge der Einverleibung Vorderösterreichs, der rechtsrheinischen Kurpfalz und vieler anderer Besitzungen ins badische Stammland (1803/06) entstanden sei? Das Badnerlied also als musikalisches Bindeglied zwischen den Alt- und Neubadenern, daher der Lobpreis auf Mannheim, Heidelberg, Haslach, Freiburg sowie den Schwarzwald?
Überlegungen zur Datierung des Liedes lassen sich eigentlich nur an die umstrittene Rastatt- bzw. Residenzstrophe („In Karlsruh‘ ist die Residenz“), die ein Stück Zeitgeschichte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt, sowie an die Heidelbergstrophe („Alt Heidelberg, du feine“) anknüpfen. Letztere stammt aus dem gleichlautenden Studentenlied von Victor von Scheffel (1826-1886), genauer aus dessen erfolgreichem „Trompeter von Säckingen“, der 1870 in Wiesbaden uraufgeführt wurde. Mit der Mannheimer Fabrik assoziiert man die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF), die 1865 in Mannheim gegründet und aus Platzgründen bald auf das linke Rheinufer nach Ludwigshafen umgesiedelt wurde, aber die eigentliche Begründerin von Mannheims Industrie ist nachweislich die Maschinenfabrik Lanz (1859).
 
Die Festung Rastatt, an der sich wegen des kläglichen Untergangs der badischen Revolutionsarmee 1849 die Geister scheiden, liefert ebenfalls genauere Anhaltspunkte für die Datierung des Liedes. Rastatt war bereits am Ende der Befreiungskriege (1815) als Standort einer Bundesfestung (drei große Forts als Grenzbefestigung nach Frankreich) vorgesehen und der Bauentwurf inmitten der deutsch-französischen Rheinkrise (1840/41) vom Deutschen Bundestag genehmigt. In einem patriotischen Gedicht zur Grundsteinlegung (1844) wird ausdrücklich vor der Gefahr „übermütiger Feinde“ gewarnt, ja zum „Schutz des Vaterlandes“ aufgerufen: Die Festung also als Schutzwall Badens und Deutschlands vor dem „Erbfeind“ auf der anderen Rheinseite. Zum Glück sind die Zeiten vorüber, in denen solche Töne zu hören waren, aber sie widerspiegeln die aufgeheizte Stimmung jener Epoche und sind, nicht anders als die fragliche Badnerliedzeile, ein Stück Zeitgeschichte. 1850 wurden die preussischen Truppen durch badische ersetzt, 1870/71 spielte die Schanze Rastatt als größte deutsche Bundesfestung am Rhein strategisch eine bedeutende Rolle, aber um 1890 wurde sie von Preußen geschliffen. Danach kann die für das Badnerlied charakteristische Strophe frühestens um 1859/60 (Mannheim), spätestens 1870/71 entstanden sein, und mit „Badens Glück“ ist nicht die fatale Rolle der Festung Rastatt 1849 gemeint, sondern das Fazit der ganzen Strophe, genauer: die politische (Karlsruhe), wirtschaftliche (Mannheim), strategische (Rastatt) Bedeutung dieser drei Städte für das Land.

Wirkungsgeschichte

Gedruckt steht das Badnerlied zuerst in einer kleinen Sammlung Soldatenlieder, die Leutnant Pecher vom 5. Badischen Infanterieregiment (Freiburg) nach dem Gesang seiner Einheit um 1902 veröffentlicht hat (Wiederabdruck 1906).
Bereits um diese Zeit haben es Soldaten unter Austausch der Länder- und Ortsnamen auf die Pfalz, das Elsass, Saarland sowie auf Hessen, Württemberg und Bayern umgesungen, hier die schwäbische Variante von 1917:
 
1. Das schönste Land in Deutschlands Gaun,
Das ist mein Heimatland,
Es ist so herrlich anzuschaun,
Und das ist Schwabenland.
Drum grüß, so grüß dich Gott, mein Schwabenland,
Du edle Perl im deutschen Land,
Frisch auf, frisch auf, ...
Frisch auf, mein Schwabenland.
 
2. Zu Stuttgart ist die Residenz,
Zu Cannstatt die Fabrik,
Zu Asperg ist das Zuchthaus,
Und das ist Schwabens Glück.
  3. Zu Haslach gräbt man Silbererz,
Zu Heilbronn wächst der Wein,
Im Schwarzwald schöne Mädchen:
Ein Schwabe möcht ich sein.
 
4. Der Bauer und der Edelmann,
Das stolze Militär,
Die schaun einander freundlich an,
Und das ist Schwabens Ehr.
 
Um 1920 gab es Überlegungen, das Badnerlied zur offiziellen Landeshymne von Baden zu erheben. Um die Mitte der dreißiger Jahre komponierte der Herbolzheimer Komponist und spätere Vorsitzende des Badischen Blasmusikverbandes, Emil Dörle (1886-1964), den bekannten Marsch „Hoch Badnerland“, in dessen Schlusstrio er das Badnerlied eingelegt hat. Dieser gehört seither zum Minimalrepertoire jeder badischen Blasmusik. Im Ringen Leo Wohlebs um die Zukunft Südbadens 1951/52 erlebte das Badnerlied eine neue Renaissance, aus dieser Zeit sind aber auch die ersten schwabenfeindlichen Umdichtungen überliefert. 1975 fungierte es im Kampf gegen das KKW Wyhl als „aktuelles Badnerlied“, ebenfalls mit kritischen Zusatzstrophen. In der ersten Spielsaison des SC Freiburg in der Bundesliga (1993/94) wurde es vom damaligen Sponsor als Werbegag eingespielt und erlebt seither im dortigen Dreisamstadion sowie im Wildparkstadion in Karlsruhe eine nie dagewesene Popularitätswelle. In letzter Zeit wurde es in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, in manchen Fankreisen der badischen Sportclubs sowie auf elektronischem Weg (Internet) zum agressiven Antischwabenlied umfunktioniert, aber auch Juxverse und andere Improvisationen für allerlei Anlässe wurden und werden ihm stets von neuem angehängt. Rund 500 solcher Strophen hat der Badnerliedsammler Ossi W. Pink (Freiburg) seit 1993/94 zusammengetragen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Badnerlied eine Zusammensetzung von Sachsenliedvariante, Scheffels Heidelberglied und Neudichtung ist. Dass es dennoch Originalität besitzt, beweist seine überregionale Verbreitung um 1900 sowie seine innovative Wirkung einst und jetzt.
 

Literatur:

Linder-Beroud, Waltraud: Ein neues Land – ein neues Lied? In: Badische Heimat 82 (2002), S. 96-109.
Zur Identitätsfrage s. Bausinger, Hermann: Die bessere Hälfte. Von Badenern und Württembergern. Stuttgart, München 2002.
Röhrich, Lutz: „... und das ist Badens Glück“. Heimatlieder und Regionalhymnen im deutschen Südwesten. Auf der Suche nach Identität. In: Jahrbuch für Volksliedforschung, Jg. 35 (1990), S. 14-25.
 
Anschrift der Autorin:
Dr. Waltraud Linder-Beroud
Deutsches Volksliedarchiv,
Silberbachstr. 13,
79100 Freiburg


 
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