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Geneigter Leser
da gibt unser Land Baden-Württemberg für die Feier der
goldenen Hochzeit Millionen aus, um den Erfolg dieses Bundeslandes
zu feiern und die Einheit der Landesteile zu beschwören und
dann das:
Vergnügt fuhr ich mit meinen Stäffelesgeigern zum Museumsfest
des Badischen Landesmuseums nach Karlsruhe, das in diesem Jahr unter
dem Titel Schwabissimo - Württemberg zu Gast in Baden
stand. Eine nette Idee, dachte ich bei mir und freute
mich über die Einladung im Hof des Karlsruher Schlosses gemeinsam
mit Wolle Kriwanek, Grachmusikoff, Uli Keuler, Manfred Rommel, dem
Haller Siedershof und anderen aufzutreten. Alles war bestens organisiert.
Die Museumspädagogen haben eine Menge Gehirnschmalz verbraucht
um ein auch inhaltlich glänzendes Fest vorzubereiten.
Von der Bühne aus fiel mir ein Stand auf, der schon von weitem
gelb-rot-gelb leuchtete. Aha, die Badener, dachte ich
bei mir und machte mich auf zu diesem Stand, um einige der feilgebotenen
Devotionalien wie Fahnen., Hosenträger etc. für einen
Fasnetsscherz zu erwerben.
So weit, so gut. Ein gewisser Lokalpatriotismus sei gestattet. Das
Necken gehört ja mittlerweile schon zum Ritual. Solange es
beim Spaß bleibt.
Doch die Bestücker dieses Standes im Karlsruher Schlosshof
waren Vertreter der Landesvereinigung Baden in Europa e.V.,
deren Satzung auf Verfassungskonformität durchaus einmal überprüft
werden müsste. Auf einem Werbeblatt, der nach eigenen Angaben
11.500 Mitglieder starken Organisation publiziert der Separatistenverband
13 Gründe, die für eine Mitgliedschaft in der Landesvereinigung
sprechen:
1. Ich bin Badener von Geburt und aus Überzeugung.
2. Ich bin zwar nicht Badener von Geburt aus, aber aus Überzeugung.
3. Ich bin gegen Zentralismus
4. Es darf keine weiteren Fusionen zugunsten Stuttgarts geben.
5. Unsere Kaufkraft soll in der Region bleiben.
6. Nur starke badische Regionen bedeuten auch Wohlstand für
die hier lebenden Bürger.
7. Mir sind kurze Verwaltungswege wichtig.
8. Ich will Freizeit statt Fahrzeit.
9. Ich will in der Region mein Geld verdienen.
10. Ich lebe und arbeite hier, fühle mich wohl - und das soll
so bleiben.
11. Ich möchte die badische Lebensart bewahren.
12. Der badische Humor ist für den Württembergischen unerreichbar.
13. Ich bin gegen weitere Schwaben(hand)streiche.
Nun muss ich mich wirklich fragen, warum bei einem Fest einer Landesinstitution
solch schwachsinnige, offensichtlich aber ernst gemeinte separatistische
Parolen verbreitet werden dürfen.
Obwohl über 81 % der Landesbevölkerung bei der letzten
Volksabstimmung 1970 für das Bundesland Baden-Württemberg
gestimmt haben, ist es der Regierung und den gesellschaftlich tragenden
Verbänden offensichtlich noch nicht gelungen, ein gemeinschaftliches
Baden-Württemberg-Bewusstsein zu schaffen. Dies
verdeutlichen auch die Verbandsstrukturen. Es gibt einen badischen
und einen schwäbischen Turnerbund, es gibt einen badischen
und einen württembergischen Blasmusikverband, auch die Sänger
sind noch in zwei Verbänden organisiert...
Von den völlig verzettelten Verbänden der Heimatpflege
soll an dieser Stelle überhaupt nicht die Rede sein.
Offensichtlich steht die Landesidentität
nach wie vor nicht hoch im Kurs, wie der stellv. Ministerpräsident
Walter Döring im März bei einem Festakt zur Gründung
des Landes Baden-Württemberg bemerkte.
In Freiburg, so fanden Meinungsforscher heraus, bezeichneten sich
die meisten Befragten weiterhin als Badener, in Mannheim sei man
in erster Linie ein Kurpfälzer und auch in Württemberg
erlebe man bei solchen Fragen manche Überraschung:
Im Nordteil des Landes finde man mindestens so viele Hohenloher
wie Württemberger, zwischen Ulm und Friedrichshafen bezeichneten
sich die alteingesessenen Bewohner als Oberschwaben.
Leider existiert in vielen Köpfen eine Grenze zwischen Badenern
und Württembergern.
Letztlich bringt uns aber sowohl wirtschaftlich, als auch kulturell
- selbstständlich unter Wahrung der regionalen Eigenheiten
- nur ein einiges Land in allen Verbänden und Kommissionen
weiter.
Also, lasst uns die Grenzen in den Köpfen niederreißen
und an einer gemeinsamen Heimat Baden-Württemberg bauen. Auch
das ist eine Form der Heimatpflege.
Herzlichst Ihr
Wulf Wager
Redaktionsleiter
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