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Pressespiegel
Elsässer lernen in der Schule wieder ihren Dialekt
Wiederentdeckung eines traditionellen Volksmusikinstruments
Die Harfe mit den Schnarrhaken
Elsässer lernen in der Schule wieder
ihren Dialekt
Der französische Erziehungsminister Lang wertet Regionalsprachen
auf - Lehrerrekrutierung in Baden?
Die Befürworter des zweisprachigen Unterrichts im Elsass spüren
dieser Tage Aufbruchstimmung. Der französische Bildungsminister
Jack Lang hat eine andere Schulpolitik bei zweisprachigen Unterricht
versprochen.
"Der Minister hat erkannt, dass das Thema seit langem ein Stachel
im Fleisch Frankreichs ist, der endlich einmal gezogen werden muss",
sagt Francois Schaffner, Präsident von Culture et Bilinguisme
in Straßburg. Der Verein setzt sich seit 1968 für die
Zweisprachigkeit im Elsass ein.
Das Elsass ist für den Bildungsminister eine Pilotregion in
Sachen Zweisprachigkeit. Bereits im Oktober wurden mit den regionalen
Gebietskörperschaften eine Konvention unterschrieben. Jetzt
hat Lang eine nationale Wende angekündigt: Korsisch, Katalanisch,
Bretonisch oder Elsässisch - die regionalen Sprachen werden
nicht mehr nur geduldet, sondern als Bereicherung angesehen und
staatlich gefördert.
Die Schulämter in den betroffenen Regionen werden in Zukunft
die Familien über die Möglichkeiten der zweisprachigen
Ausbildung informieren. Die Schulämter sollen der Nachfrage
der Eltern nachkommen und sich um die Lehrerausbildung kümmern.
In Zukunft dürfte sogar der ganze Unterricht in den ersten
beiden Schuljahren in der Regionalsprache stattfinden.
"Der Wert des Elsässischen wird endlich offiziell anerkannt.
Bisher glaubten die meisten Elsässer, dass der Dialekt sowieso
keine Zukunft mehr hat", sagt Schaffner. Tatsächlich sieht
die Zukunft des Dialektes nicht gerade rosig aus. Rund 60 Prozent
der Elsässer, so die Zahlen von Culture et Bilinguisme, sprechen
noch Elsässisch. Anders sieht es bei den jungen Leuten unter
15 Jahren aus: Dort sprechen nur noch 20 Prozent Dialekt. Seit zehn
Jahren gibt es Zweisprachenunterricht im Elsass. Der Umfang der
Ausbildung hält sich freilich in Grenzen: 7320 Schüler
besuchen in staatlichen Schulen einen zweisprachigen Unterricht,
das sind 4,5 Prozent aller Schüler. 308 zweisprachige Klassen
gibt es, beginnend bei der Kleinkindschule ab drei Jahren bis zur
achten Klasse. Mit einer Werbeaktion will man jetzt den Dialekt
fördern. Nach Informationen des Regionalamts für Zweisprachigkeit
im Elsass werden von Mitte des Jahres an junge Eltern ein Kinderbuch
zugeschickt bekommen, das die Vorteile der Zweisprachigkeit erklärt.
Eine Broschüre ermutigt Eltern und Großeltern, den Dialekt
an die Kinder weiter zu vermitteln. 20 000 Familien im Jahr werden
diese Dialektwerbesendung bekommen. Die EU, die Region Elsass und
die Departements finanzieren dieses Projekt mit 60.000 Euro.
Das Standarddeutsche gilt als geschriebene Form des mündlichen
Dialektes, des Elsässischen. Kritiker sagen, dass der Dialekt
durch den zweisprachigen Unterricht gar nicht gefördert werde,
da in den zweisprachigen Klassen neben 13 Stunden Unterricht in
französischer Sprache die restlichen 13 Stunden in deutscher
Sprache unterrichtet werden. Der neue Aufruf an die Schulämter,
die Nachfrage nach zweisprachigem Unterricht zu erfüllen, wird
Probleme nach sich ziehen: Es fehlen genügend zweisprachige
Lehrer und Lehrmaterial. Für das Schuljahr 2001/2002 haben
bereits 800 Eltern um eine zweisprachige Ausbildung für ihr
Kind gebeten. Rund 20 neue Orte mit zweisprachigen Klassen wären
nötig. Erst vor wenigen Tagen hat sich der Gemeinderat in Selestat
entschlossen, ab dem Herbst zwei zweisprachige Klassen in einer
Kleinkinderschule anzubieten. In Guebwiller soll ein Ausbildungszentrum
für Lehrer entstehen. Jährlich sollen im Elsass 50 zweisprachige
Lehrer ausgebildet werden mit einem eigens dafür konzipierten
Examen. "Ich schlage vor, dass die Schulämter auch bald
in Baden auf Lehrersuche gehen", sagt Schaffner. Ob deutsche
Lehrer sich darauf einlassen, ist fraglich: In Frankreich bekommen
Grundschullehrer ein Drittel weniger Lohn als auf deutscher Seite.
Aus: Stuttgarter Zeitung, vom 21.5.2001
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Wiederentdeckung eines traditionellen Volksmusikinstruments
Die Harfe mit den Schnarrhaken
Die Geschichte beginnt mit dem zweiten Band "Volkstanz und
Tanzlied der Schwaben", den das Schwäbische Kulturarchiv
des Schwäbischen Albvereins im vergangenen Jahr herausgebracht
hat. Nicht ohne Grund zeigt das Titelbild eine Volksmusik mit Schalmei,
Geige und Harfe. Bei den Bildrecherchen für dieses Buch stieß
Manfred Stingel (Volkstanzgruppe Frommern) im Städtischen Museum
Hechingen auf historische Musikinstrumente. Dabei war auch eine
Harfe, die er fotografieren ließ. Im Fotoladen in Hechingen
traf der Fotograf Peter Schilling die Harfenistin Petra Kruse; er
zeigte ihr das Foto der "Hechinger Harfe" - sie war sofort
elektrisiert, denn Petra Kruse ist weltweit eine der wenigen Harfenistinnen,
die historische Harfen verschiedener Epochen spielen kann. Ihr Mann,
Eric Kleinmann ist Harfenbauer; seine Spezialität ist die Rekonstruktion
von Harfen nach Abbildungen auf Gemälden und in Handschriften
sowie die Fertigung nach Originalen aus Museen und Sammlungen. Eric
Kleinmann stammt aus Hechingen; das Ehepaar wohnt im nahe gelegenen
Rangendingen.
Manfred Stingel wurde informiert und erteilte Eric Kleinmann sogleich
den Auftrag, die "Hechinger Harfe" nachzubauen. Mitte
März dieses Jahres war es dann so weit: Im Rathaus in Hechingen
wurde die "Hechinger Harfe" präsentiert. Die alte,
abgespielte Harfe ohne Saiten und ihr Nachbau wurden u.a. von Bürgermeister
Jürgen Weber bewundert, bis Petra Kruse schließlich in
die Saiten griff und das Häußler-Thema von Mozart spielte.
Mozart lernte in einem Prager Wirtshaus den Wanderharfenisten Josef
Häußler kennen und komponierte sogleich ein Stück
für ihn. Leider konnte der Wirtshausmusiker keine Noten lesen;
doch Mozart sang ihm die Melodie vor und Häußler spielte
mit Begeisterung nach.
Die "Hechinger Harfe" stammt aus Süddeutschland und
wurde zwischen 1700 und 1750 gefertigt. Es gibt nur fünf Harfen
ähnlichen Typs, vier in deutschen Museen und eine in Boston
(USA). Man weiß nicht, wie sie ins Hechinger Stadtmuseum gekommen
ist. Sie könnte zum Inventar der Hechinger Hofkapelle gehört
haben; Hechingen hatte ein reiches Musikleben und eine hervorragende
Hofkapelle. Einige berühmte Musiker dieser Zeit, z.B. Louis
Spohr, gastierten in Hechingen. Allerdings verwendeten die Musiker
für die höfische Musik damals größere Harfen,
die Einfach- und Doppelpedalharfen mit einer wesentlich größeren
Klangweite.
Die "Hechinger Harfe" ist eine sogenannte Übergangsharfe;
obwohl Einzelteile aufwendig gefertigt sind, lässt der einfache
Aufbau eher auf ein Volksmusikinstrument schließen. Vorderstange
und Hals sind aus Nussbaum, die Klangdecke ist aus Ahorn, der Korpus
aus Obstholz. Der Tonumfang geht fast fünf Oktaven (von d
bis GG) in einer diatonischen Reihe. Die "Hechinger Harfe"
hat aber noch eine weitere Besonderheit, die Petra Kruse bei der
Präsentation vorführte. Mit ein paar Handgriffen klappte
sie die "Schnarrhaken" an den Saiten um, Eric Kleinmann
sagte warnend: "Jetzt fallen gleich die Engel vom Plafond!",
Petra ließ die Volksmusikharfe schnarren - und das Publikum
amüsierte sich ob der ungewohnten Töne köstlich.
Die Schnarrhaken der "Hechinger Harfe" sind außergewöhnlich
groß und aufwendig gefertigt. Mit ihrer Hilfe wird ein vibrierender
Schnarrton erzeugt, der nichts mit dem gewohnten Harfenklang zu
tun hat. Schnarrhaken waren im Spätmittelalter und in der Renaissance
fast an jeder Harfe angebracht. Die "Hechinger Harfe"
ist die einzige, an der originale Schnarrhaken erhalten sind, so
dass ein authentischer Nachbau möglich war. Um 1750 gehört
die "schnarrende" Harfe eher zur Volksmusik. Damals gab
es Musiker, die durch die Lande zogen und auf Plätzen oder
in Wirtshäusern aufspielten.
Die "Balinger Harfe"
Ein weiterer Zufall brachte Manfred Stingel auf die Spur einer solchen
Musikerfamilie, die ganz in der Nähe von Balingen-Dürrwangen,
im Balinger Stadtteil Weilstetten, ansässig war. Ein Mitglied
dieser Musikantenfamilie Kiefer gab eine Harfe bei Stadtarchivar
Dr. Hans Schimpf-Reinhardt in Balingen ab für das dortige Museum.
Archivar Schimpf gab die "Balinger Harfe" zur Restaurierung
an Eric Kleinmann und informierte Manfred Stingel, der sogleich
auch einen Nachbau der "Balinger Harfe" bei Eric Kleinmann
bestellte. Sie wird vermutlich im Herbst fertig sein. Stingel machte
sich auf die Suche nach dem Ursprung der "Balinger Harfe";
ihm half ein alter Dürrwanger Spruch: "Will einer gut
leben, muss er nach Weilheim gehen". Weilstetten hieß
früher Weilheim. Er traf dort Nachfahren der Familie Kiefer,
die gerne Auskunft gaben und Familienfotos zeigten. Musiker und
Harfenbesitzer war Johann Georg Kiefer, geboren am 14. Mai 1827
in Altstadt, gestorben am 18. März 1899 in Weilheim. Seine
Ehefrau Anna Maria Kiefer, geb. Schweizer (geboren am 1. Januar
1831 in Dietzenbach, gestorben am 2. Januar 1909 in Weilheim), hat
wohl die Harfe gespielt. Man erzählt sich in der Familie, dass
die beiden Musiker sehr viel Straßenmusik gemacht, aber auch
bei "großen und feinen Leuten" aufgespielt hätten
- selbst im Schlosshof in Stuttgart. Das musikalische Talent hat
sich in der Familie weitervererbt. Der Urenkel der Harfenspielerin,
Konrad Kiefer (1905-1964), hat mit 20 Jahren das Geigenspiel erlernt,
leitete den Singkreis und den Gesangverein in Weilheim sowie die
Kirchenchöre in Ostdorf und Dürrwangen.
Spielen lernen im Harfenseminar
Wenn bei der Volkstanzgruppe Frommern im Haus der Volkskunst in
Balingen-Dürrwangen eine Harfe vorhanden ist, so muss sie auch
gespielt werden. Das muss man aber erst lernen. Also veranstaltete
der Volkstanzrat im Schwäbischen Albverein ein Harfen-Seminar
am 24./25. März. Petra Kruse und Eric Kleinmann brachten 20
(!) Teilnehmern die Grundlagen des Harfenspiels bei. Nach der Melodie
des einfachen schwäbischen Lieds "Fiderix ond fiderax
ond koi Fink ischt koi Spatz ond koi Spatz ischt koi Fink ond wenn
er no so schöa singt", durfte man die Saiten der verschiedenen
Harfen klingen lassen - fröhlicher geht es wohl nicht mehr.
Nora Seiwert, 14 Jahre, von der Volkstanzmusik Frommern, der die
"Hechinger Harfe" als Leihinstrument übergeben wurde,
versuchte ihr Bestes auf dem neuen Instrument. Die Teilnehmer waren
überwiegend aus Süddeutschland, aber auch aus der Schweiz
angereist und durften am Abend noch ein ganz besonderes Konzert
erleben.
Nancy Thym, eine Amerikanerin, die seit vielen Jahren in Deutschland
lebt, bot ihr "Einfrau-Musical" mit Theater, Gesang und
Harfenspiel. "Mit der Harfe die Dirne beschwert" hat sie
ihr Stück genannt, in dem sie eine böhmische Wanderharfenistin
darstellt. Die tiefschürfende Forscherin und begnadete Harfenistin
hat das Ergebnis ihrer Forschungen über das Leben der böhmischen
Wanderharfenspieler und -spielerinnen in ein phantastisches Bühnenprogramm
gepackt. Die Wanderharfenspieler aus Böhmen zogen durch Europa,
ja fast durch die ganze Welt. Ihr Beruf war es, die Leute mit Harfenmusik
und mit Liedern zu unterhalten. Es war kein einfaches Leben, stets
auf Wanderschaft, in Krankheit und Not. Nancy Thym forschte vor
Ort in Böhmen in einem Dorf, das inzwischen in einem Stausee
versunken ist. Nur die Lieder gibt es noch. Genau dort wurden die
"Balinger Harfen" nachgebaut; 25 Exemplare sind erhalten.
Nancy, die im März für ihre Arbeit mit dem Kulturpreis
des Landkreises Freising ausgezeichnet wurde, versteht es, mit ihren
Liedern, ihren Texten und ihrem schauspielerischen Talent, das Publikum
in das Leben und die Lebensweise der damaligen Harfenistinnen zu
versetzen. Man leidet mit und wird durch die sehr gefühlvollen
Lieder auch emotional sehr angesprochen. Geschichte und Geschichten
wurden lebendig. Das fanden auch die Mitglieder der Familie Kiefer,
die zum Konzert gekommen waren. Auch die Enkelin der Wanderharfenistin,
von deren Schicksal Nancy Thym so anschaulich berichtete, war anwesend.
Jetzt heißt es für die Harfenspieler der "Hechinger
Harfe" zunächst einmal: "Üben!" Man darf
gespannt sein auf das Ergebnis, und vor allem auf das, was die Volkstanzgruppe
Frommern im Zusammenklang mit den anderen historischen Instrumenten
daraus macht. Eine zweite "Hechinger Harfe" ist, ebenso
wie die "Balinger Harfe", bei Eric Kleinmann in Arbeit.
Weitere werden wohl folgen, denn man kann davon ausgehen, dass der
Volksmusikharfe mit den witzigen Schnarrhaken eine ähnliche
Renaissance beschert sein wird wie der "Schwäbischen Sackpfeife".
Eva Walter
Aus: Blätter des Schwäbischen Albvereins 3/2001
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