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C.H.C.
Liebevoll auch die kleinsten alten Details erhalten
Karl-Heinz Rahm, Mitglied der Heimatzunft Baden-Württemberg
und Leiter der Trachtengruppe des Kübelesmarkts in Bad Cannstatt,
renovierte ein halb verfallenes Seldnerhaus in Schmähingen
im Ries und erhielt dafür die Bayrische Denkmalschutzmedaille
von Staatsminister Mayer überreicht.
Das Anwesen Stählinstraße 11 in Schmähingen ist ein erdgeschossiges Kleinbauernhaus. Das sogenannte Einhaus, welches die kleinbäuerliche Wohn-, Stall-Nutzung unter einem First vereint, ist charakteristisch für die Bauernhauskultur des Rieses. Der hier überlieferte Bautyp und die Baukonstruktion repräsentieren eine bis in die Neuzeit übliche Volksbauweise. Traufseitig zur Straße gelegen und aus Bruch und Feldsteinen errichtet, folgt die Grundrissanlage dem üblichen Schema. Der Wohnteil mit giebelseitiger südöstlicher Stube und Küche wird von einem durchgestreckten Flez erschlossen; zwischen diesem und dem Ökonomieteil sind die Schlafkammern angeordnet. Das ansonsten Speicherzwecken vorbehaltene Dachgeschoss verfügt über eine weitere (Gesinde-)Kammer.
Nachdem das Anwesen zuvor fast 20 Jahre leer gestanden hatte und halb verfallen war, wurde es 1994 von Karl-Heinz Rahm mit samt den beinahe vollzählig erhaltenen landwirtschaftlichen Gerätschaften erworben.
Dieser Gebäudetypus ist wegen seiner bescheidenen kleinteiligen Erscheinung stark gefährdet. Auf Grund der Nutzungsbeschränkung droht in aller Regel der Abbruch und Neubau. Vor fünf Jahren hätte das in den Hang gebaute Haus in der idyllischen Hügellandschaft des Riesrandes allenfalls wegen seines augenscheinlichen Verfalls die Blicke auf sich gezogen.
Heute jedoch fällt der liebevoll gepflegte und dabei unspektakuläre Anblick des wieder hergerichteten Anwesens auf. Fünf Jahre hatte der aus dem Ries gebürtige Architekt sich Zeit gelassen, sich sein aus dem Jahre 1770 stammendes Haus "bewahrend" und stilecht wieder herzustellen.
"Insgesamt fünfzehn Jahre lang habe ich versucht, dieses Haus, das gegenüber meinem großelterlichen Anwesen steht, zu kaufen", sagte Karl-Heinz Rahm. Vordergründig suchte Rahm ein Wochenendhaus. Seit seiner Kindheit kommt er, der mit seiner Familie in Stuttgart-Bad Cannstatt lebt, auch bedingt durch seine Leidenschaft zur Natur und zur Jagd immer wieder nach Schmähingen.
Das eigentliche Motiv für den Kauf des alten Hauses ist jedoch eine Art Wiedergutmachung: "Das großelterliche Anwesen wurde seinerzeit abgerissen. Nach meinem Studium ist mir dann bewußt geworden, was das für eine Dummheit war", erklärte er. Heute werden viele ähnliche Dummheiten gemacht und gute und schöne alte Bausubstanz abgerissen, beklagt er weiter. Die Leute im Dorf hätten ihn damals für nicht mehr ganz zurechnungsfähig gehalten: "Warum reißt Du das alte Haus nicht einfach ab", beschrieb Rahm den Tenor, als er dieses, dem Verfall preisgegebene Haus kaufte, in dem schon Bäume wuchsen. Aber er ließ sich nicht beirren: "Das ist immer so, das kenne ich von meiner Arbeit als Architekt, wo ich viel mit Altbausanierung zu tun habe. Anfangs sind immer alle dagegen". Jede freie Minute habe er seitdem in die Restaurierung gesteckt. Zur Seite stand ihm dabei sein Freund der pensionierte Zimmermann und Schreiner Hermann Beck. Die Stimmung im Dorf ist völlig umgeschlagen. Vor allem die jungen Menschen, darüber freut sich Rahm besonders, hätten die Botschaft verstanden: Dass das Alte erhaltenswert ist! Bei der Erhaltung ist Rahm sehr weit gegangen: "Bis auf die Elektroheizung und die Dusche ist alles authentisch; so wie ich es vorgefunden habe", erklärte er. Die historischen Eigenheiten wurden bewahrt; die Grundrissstruktur, die seit dem Erbau 1770 fast unverändert blieb, und sogar die Innenausstattung wie die Küchenmöblierung, Türen oder die Eingangstür. Selbst die noch aus den Anfangszeiten der Elektrifizierung stammenden schwarzen Drehschalter und auch die über Putz verlegte Elektroinstallation wurde nicht den modernen Sehgewohnheiten angepasst.
Auf zwölf Farbschichten ruht der Anstrich im Flur (ursprünglich waren es sechzehn Schichten), der authentisch mittels der "Walztechnik" aufgetragen wurde. Der Außenanstrich, grün auf weiss, ist originalgetreu, mit Sumpfkalk, dem 5% Leinöl beigemischt wurde", erläuterte Rahm die Details der Restaurierung.
"Dieses Haus war ein Söldnerhaus", erklärte Rahm. Es habe also armen Leuten gehört, die neben einer kleinen Landwirtschaft etwas dazu verdienen mußten, eben "im Sold standen". Da man sich keine echten Eichentüren leisten konnte, habe man damals durch die Maserierung den Fichtentüren den Anschein einer Tür aus hochwertigem Holz gegeben. "Ein Maler aus Harburg beherrschte glücklicherweise noch diese alte Malertechnik", deutete Rahm an. Viel handwerkliche Fähigkeiten drohen in Vergessenheit zu geraten. Auch die Schränke in den oberen Kammern sind maseriert.
Alle ländlichen Geräte, die zu der kleinen Landwirtschaft gehörten und die nun im Haus "ausgestellt" sind, fand Rahm vor. Zusammen mit anderen "alten Fundstücken" aus der Gegend - wie dem gußeisernen Ofen aus dem Jahre 1870 aus dem Hüttenwerk Wasseralfingen, dem für das Ries typischen Vorgänger des Kachelofens, - geben sie dem Haus eine fast museale Anmutung. Sogar das Toilettenhäuschen im Garten "s' Häusle", ist für den Ernstfall wieder gerüstet. Was er mit dem Kuhstall vor hat? "Am liebsten Kühe reinstellen, damit es wieder nach Kuhstall riecht", scherzt Rahm.
Ob ein Neubau letztlich kostengünstiger ausgefallen wäre, verneint Rahm ganz klar. Das Argument, das häufig gegen den Erhalt alter Bausubstanz ins Feld geführt würde stimme nicht. Abriß und Neubau hätten deutlich mehr gekostet.
Die Ehrung durch die Denkmalschutzmedaille habe ihn selbst völlig überrascht, gab Rahm zu. Der Impuls hierfür ging vom Landesdenkmalamt und vom Nördlinger Bauamt aus. "Das Ergebnis war wohl so, wie sie sich es vorgestellt hatten", begründet Rahm die Auswahl bescheiden. Die Auszeichnung, zusammen mit den positiven Reaktionen und dem sichtbar gelungenen Ergebnis, seien für ihn insgesamt eine Bestätigung.
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