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Irene Pill-Rademacher
Ohne Gerechtigkeit keine Freiheit
Bauern und Adel in Oberschwaben 1848/49
Vom 13. Juni bis 26. September 1999 wird im Bauernhaus-Museum und im Fürstlichen Schloß Wolfegg eine vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Oberschwaben veranstaltete Ausstellung mit dem Titel "Ohne Gerechtigkeit keine Freiheit - Bauern und Adel in Oberschwaben 1848/49" gezeigt. Die Ausstellung ist die letzte in einem siebenteiligen Zyklus, mit dem das Haus der Geschichte Baden-Württemberg mit wechselnden Partnern in verschiedenen Städten des Landes seit September 1997 einzelne Aspekte der Revolution 1848/49 in Württemberg und Baden beleuchtet.
In der Revolution von 1848/49 wurden die feudalen Beziehungen zwischen Bauern und Adel, die Oberschwaben jahrhundertelang geprägt hatten, aufgrund der Bauernproteste endgültig abgeschafft. Dabei gewann der politische Kampf um bürgerliche Freiheitsrechte für die Landbevölkerung bis in den Sommer 1849 hinein immer größere Bedeutung, während die meisten oberschwäbischen Adeligen - von Fürst Constantin von Waldburg-Zeil abgesehen - politisch nicht hervortraten.
Die Ausstellungsorte
Die einmalige Situation, das Verhalten der Bauern im Bauernhaus-Museum und das der Adeligen im Schloß zeigen zu können, macht den besonderen Reiz der Ausstellung in Wolfegg aus.
Mit der Eingangshalle des Schlosses der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg, die erstmals für eine große Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, steht ein beeindruckender historischer Raum zu Verfügung, um die Lebenswelt des oberschwäbischen Adels und sein Schicksal während der Revolution darzustellen.
Wenige Gehminuten vom Schloß entfernt liegt das Bauernhaus-Museum Wolfegg. Vor dem Hintergrund der bäuerlichen Lebenswelt vom "Hof Reisch" wird der Kampf der Bauern um die Ablösung der Feudalabgaben und ihre Teilnahme am politischen Geschehen der Jahre 1848/49 lebendig.
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Revolution der Bauern
Das Vorgehen der oberschwäbischen Bauern im März 1848 beweist, daß Revolutionen nicht immer blutig ablaufen müssen: Beschwerdeschriften und Petitionen, Versammlungen, gemeinsames Vorsprechen größerer Gruppen bei eingeschüchterten Adeligen, Drohbriefe und eingeworfene Fenster reichten aus, um der Forderung nach "Aufhebung des Lehensystems" Nachdruck zu verleihen.
Aus dem Oberamt Leutkirch wurde berichtet: "In der Nachbarschaft rotteten sich Lehenpflichtige zusammen ... u. gingen zu ihren Lehenherrn, von denen sie das mit Gewalt zurück fordern wollten, was sie glaubten, an dieselben zuviel bezahlt u. abgegeben zu haben".
In großer Eile wurde daraufhin in Württemberg bis zum 14. April 1848 ein Ablösungsgesetzt verabschiedet, das den bäuerlichen Forderungen weit entgegen kam. Sämtliche Feudalabgaben konnten nun zu einem für die Bauern relativ günstigen Preis "abgelöst" werden.
"Ich erlebte eine gute Zeit, den Ihm Jahr 1848 auf den 18ten
Aprill wurde in ganz Teuschland daß Lehen aufgehoben und das
Eigenthum bekannt gemacht daß jeder Baur nach seinem Belieben
Schalten und Walten könne".
Was der Bauer Moritz Kolb aus Ratzenried auf der Rückseite seiner Wohnzimmervertäfelung schrieb, war die erfolgreiche Bilanz, die jeder oberschwäbische Bauer nach der Revolution ziehen konnte. Anders als die nur kurzzeitig geltenden politischen Freiheitsrechte war die Ablösung der Feudalabgaben ein dauerhafter Erfolg der Revolution, der nicht mehr zurückgenommen wurde. Das zunächst unscheinbare Getäfer mit den Bleistiftnotizen steht daher mit Recht im Zentrum der Ausstellung.
Mobilisierung durch Politik
Die nationale Begeisterung und der politische Aufbruch des Jahres 1848 hatten auch in Oberschwaben die ganze Bevölkerung ergriffen. Bei den 'Wahlen zur Nationalversammlung im April 1848 konnten erstmals breite Bevölkerungsschichten, allerdings nur Männer, ihren politischen Willen zum Ausdruck bringen. Die schwarz-rot-goldene Leutkircher Wahlurne, entsprechende Schützenscheiben aus Biberach oder Tabaksdosen mit den Porträts bekannter badischer Politiker stellten deutlich vor Augen, wie wichtig die Frage der Einigung des Deutschen Reiches und seiner Verfassung den Oberschwaben war. Auch im weiteren Verlauf der Revolution, besonders aber im Frühjahr 1849, als es um die Durchsetzung der Reichsverfassung ging, wurden ländliche Bevölkerungsgruppen durch Zeitungen, Volksvereine und Bürgerwehren mobilisiert.
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Erschütterung des Adels
Die oberschwäbischen Adeligen waren die Zielscheibe der bäuerlichen Proteste. Obwohl ihnen keine materiellen Schäden an Haus und Hof entstanden, empfanden auch sie die Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 als Revolution.
So beklagte sich Graf von Quad zu Wykradt und Isny, daß
"viele Concessionen, die an verschiedenen Orten gemacht wurden, durch solche Drohungen abgezwungen worden sind, und dies ist das beste Mittel, die Besitzenden so weit zu bringen, daß sie auch noch ihren letzten Rock hergeben müssen".
Das adelige Jagdprivileg wurde seit dem März 1848 von den Bauern ignoriert. Dem Adel blieben nur zahllose Klagen über den "Jagdunfug" in seinen Wäldern, bis das württembergische Jagdgesetz 1849 klare Verhältnisse schuf und allen größeren Grundbesitzern, also auch den Bauern, die Jagd auf dem eigenen Grundstück gestattete.
Die Folgen der Gesetzgebung von 1848/49 brachten für den Adel einschneidende Veränderungen: Die letzten Reste adeliger Herrschaft wurden beseitigt und alle feudalen Bindungen zwischen Bauern und Adel abgelöst. Die Entschädigungen, die der Adel dafür erhielt, waren in Württemberg sehr gering. Alle Versuche der Standesherren, die Erfolge der Revolution rückgängig zu machen, scheiterten.
Ein fürstlicher Revolutionär?
Eine Sonderrolle unter den Adeligen nahm Fürst Constantin von Waldburg-Zeil ein. Nachdem er den ersten Schreck über die Märzunruhen verwunden hatte, stellte er sich, anders als seine Standesgenossen, auf die Seite der demokratischen Bewegung. Als "Abgeordneter des Volkes" stimmte er in der Nationalversammlung konsequent mit den Linken. Er bemühte sich in erster Linie um die Gleichberechtigung der Katholiken, um eine Stärkung Oberschwabens und um eine zeitgemäße Stellung des Adels in der Gesellschaft. Dies alles hoffte er in einem größeren Deutschland mit einer demokratischen Verfassung verwirklichen zu können. Sein Verhalten als Standesherr und die Auseinandersetzungen mit dem württembergischen Staat werden in der Ausstellung anhand bislang unbekannter Objekte gezeigt.
Eine Revolution in Oberschwaben?
Entgegen der häufig geäußerten Meinung, daß während der Jahre 1848/49 in Oberschwaben von einer Revolution nichts zu spüren gewesen sein, will die Ausstellung mit ihrem Blick auf die Bewegungsgründe und Empfindungen der damaligen Akteure und auf die Ergebnisse der Reformgesetzgebung das Gegenteil zeigen.
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