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Kleine Geschichte der Zither
Von Wolfram Breckle
Die Zither ist ein sehr altes Instrument und ein sehr junges zugleich.
Wie ist das möglich?
Das Bauprinzip der Zither ist einfach: ein Kasten, über den Saiten
gespannt sind. Instrumentenkundler bezeichnen jedes Instrument, bei
dem die Saiten parallel zum Resonanzkörper verlaufen, als Zitherinstrument.
Zitherinstrumente finden wir zu allen Zeiten und in nahezu allen Kulturen
der Welt. Daher ist die Zither ein sehr altes Instrument. Die Zither
ist aber auch ein sehr junges Instrument, weil sie ihre heutige Spielweise
und Besaitung erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
erhielt.
Wie kam es dazu?
In Mitteleuropa bildet das Monochord den Ausgangspunkt der Entwicklung.
Das Monochord war ein Kasten, über den eine Saite gespannt war.
Die alten Griechen, z.B. auch Pythagoras, benutzten das Instrument,
um Intervallverhältnisse zu untersuchen. Als Theorieinstrument
und als Hilfsmittel im Gesangsunterricht kam das Monochord in die
mittelalterlichen Klosterschulen. Wir finden bald auch Abbildungen,
auf denen große, teilweise mannshohe balkenförmige Monochorde
als eine Art Saitentrommeln zusammen mit anderen Musikinstrumenten
zu sehen sind.
Ab dem 15. Jahrhundert wuchs wohl das Bedürfnis, auf diesen Instrumenten
auch Melodien hervorbringen zu können. Dabei lassen sich drei
Lösungswege beobachten. Die erste Möglichkeit bestand darin,
die Saitentrommel mit einer Einhandflöte zu kombinieren. Diese
Form wird heute noch in einigen romanischen Länder gespielt.
Die zweite Möglichkeit führte zur Entwicklung des Hackbretts.
Die Anzahl der Saiten wurde vergrößert und jede Saite unterschiedlich
gestimmt. Bald wurde auch die Saitenlänge unterschiedlich gestaltet,
und so hat sich im Lauf der Zeit die trapezförmige Form der heutigen
Hackbretter ergeben. Der dritte Weg bestand darin, einzelne Saiten
abzugreifen und mit Bünden zu unterlegen, die restlichen Saiten
als Bordunsaiten mitschwingen zu lassen. Michael Prätorius beschreibt
die Spielweise sehr anschaulich: "Es wird aber über alle
Saiten unten am Stege mit dem rechten Daumen allzeit überher
geschrumpet: und mit eim kleinen Stöcklein in der linken Hand
auf der vordersten Saiten hin und wieder gezogen, dadurch die Melodei
des Gesanges über die Bünde, so von Messing-Draht eingeschlagen,
zuwege gebracht wird." Diese Scheitholz- und Kratzzitherformen
gehören wie der Dudelsack und die Drehleier zu den Borduninstrumenten
und waren in ganz Mittel-, Nord- und Osteuropa im Gebrauch und sind
es teilweise heute noch.
Während nun der Dudelsack und andere Borduninstrumente im 19.
Jahrhundert aus Mitteleuropa weitgehend verschwunden sind, hat sich
die Kratzzither zur Schlagzither weiterentwickelt. Bei der Schlagzither
werden die Griffbrettsaiten mithilfe eines mit einem Dorn versehenen
Rings angeschlagen, die Freisaiten können einzeln gezupft werden.
Diese Änderung der Spielweise fand um 1800 im Alpenraum statt.
Womit hängt die Änderung der Spielweise nun zusammen?
Zum einen hat sich wohl das Klangideal geändert. Borduninstrumente
waren nicht mehr zeitgemäß und verschwanden aus der Tanzmusik.
Weshalb haben jetzt aber die Zithern nicht dasselbe Schicksal erlitten,
sondern sich weiterentwickelt, und weshalb fand diese Entwicklung
gerade im Alpenraum statt?
Möglicherweise hängt das mit dem Aufkommen des Ländlers
als Modetanz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zusammen.
Der Ländler besitzt ausgeprägte Dreiklangsmelodik, die Begleitung
sollte den Tonartwechsel mit vollziehen können. Eine Bordunbegleitung
ist als Ländlerbegleitung nicht angemessen. Die Zither gilt als
Ländlerinstrument. Dies zeigt sich sehr deutlich in den im 19.
Jahrhundert veröffentlichten Kompositionen. Ländlerkompositionen
und -bearbeitungen stellen nach Hofmeisters "Handbuch der musikalischen
Literatur" mit Abstand den größten Anteil der Zitherliteratur.
Somit ist es wahrscheinlich, dass das Aufkommen des Ländlers
eine Änderung der Spielweise der Zither zur Folge hatte. In dem
kürzlich vom Landesmusikrat Baden-Württemberg herausgegebenen
Heft "Querschnitt - Traditionelle Zithermusik aus Baden-Württemberg"
sind einige Ländler enthalten, die dem Ruf der Zither als Ländlerinstrument
Rechnung tragen.
Im 19. Jahrhundert hat sich die Zither im gesamten deutschsprachigen
Raum stürmisch verbreitet. Zwei Personen haben maßgeblich
dazu beigetragen: Der Gastwirtssohn Johannes Petzmayer und Herzog
Max in Bayern. Das Lokal von Petzmayers Vater war als Ausflugslokal
des Wiener Adels beliebt. So wurde man auf Johannes Petzmayer aufmerksam,
der dort die Gäste auf der Zither unterhielt. Herzog Max in Bayern
wurde schließlich Petzmayers berühmtester Schüler.
Er machte die Zither im wahrsten Sinne des Wortes "hoffähig".
Herzog Max sammelte Volksmusik und veröffentlichte auch Melodien
und Eigenkompositionen.
Wie beliebt diese Stücke waren, zeigt sich auch im genannten
Heft "Querschnitt". Die Melodie zu "Wenn ich von Frankfurt
von der Mess heimgeh" aus Goldbach bei Crailsheim, die im Archiv
des SWR gefunden wurde, hat sehr große Ähnlichkeit mit
der Amalien-Polka von Herzog Max.
Auch in Baden-Württemberg hat sich die Schlagzither schon sehr
frühzeitig verbreitet. Bereits 1846 erschien vom Königlich
Württembergischen Hofmusicus Friedrich Ruthhardt eine "Gründliche
Anleitung die Zither spielen zu lernen", eine der ältesten
Zitherschulen. Bis zum Zweiten Weltkrieg erfreute sich die Zither
einer ungeheuren Beliebtheit. Allein in Stuttgart existierten zwischen
den Weltkriegen über 25 Zithervereine. Neben den in Vereinen
organisierten Spielern gab es noch unzählige Einzelspieler und
Kleingruppen.
Literatur:
Wolfram Breckle, Die Entwicklung der Zither als Volksinstrument
Zum neu erschienenen Heft
Querschnitt - Traditionelle Zithermusik aus Baden-Württemberg
Landesmusikrat Baden-Württemberg, 2002
ISMN M-700157-05-0, 10 Euro
Viele Zitherspieler sind auch heute an traditioneller Volksmusik interessiert.
Das vorliegende Heft richtet sich bevorzugt an Zitherspieler, Stuben-
und Saitenmusiken, was aber nicht bedeutet, dass die Stücke in
anderen Besetzungen (Streicher oder Bläser) nicht ebenfalls reizvoll
klingen! Es wurde versucht, übliche Tonarten und -lagen zu verwenden
und die technischen Möglichkeiten der Saiteninstrumente, insbesondere
der Zithern, zu berücksichtigen. Darüber hinaus bietet das
Heft einen "Querschnitt" durch die Regionen Baden-Württembergs
und durch die vielfältigen Formen der Volksmusik in unserem Land.
Das nachfolgende Stück
stammt aus dem Heft "Querschnitt - Traditionelle Zithermusik
aus Baden-Württemberg".
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