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Rezensionen
Wulf Wager
Narrenweisheiten
D Narra send schau reachte Leit wärat älle
bloß so gscheit!
Zur schwäbisch-alemannischen Fasnet gehören wie die Maskierung
und Vermummung in überlieferten Formen auch die tradierten Fasnetssprüch
und "Lumpeliedle" der Narren, die jenseits der Narrensprünge
und Fastnachtsumzüge in den Gasthäusern, am Straßenrand
und beim Besuch in Privathäusern eine derb urwüchsige Volkspoesie
entfalten.
"s goht dagega!" ist nun das Motto der Narren, das
gleichsam Intellekt und gesittetes Benehmen auszuschalten scheint.
"s goht dagega!" Alles scheint sich wider
die Normalität des Alltags zu stemmen. Für die wenigen
Tage der Fasnet gelten auch bei gebildeten Menschen andere Regeln.
Es kunnt e Wieb vu Riselfinge
mit ere hilzne Fiddlezwinge
un eme isig Hebgschirr dra,
da mer si besser schneppre ka. Narro! (Löffingen)
Insofern sind die Fasnetssprüch gerade an den hohen Tagen
der schwäbisch-alemannischen Fasnet in den jeweiligen Narrennestern
geduldetes, nein, erwartetes Allgemeingut. Manch einer, der sich
für wichtig hält, wäre beleidigt, wenn er von den
Narren und "Maschker" unbeachtet bliebe.
Am Aschermittwoch ist dann wieder alles vorbei. Aber bis dahin ist
es das überlieferte Recht der Narren, ihre ganz spezielle Narrenweisheit
unter die Leute zu bringen. Manche der Sprüche haben eine lange
Tradition, viele sind heute nicht mehr verständlich. Einiges
wird spontan auf Anwesende umgemünzt und umgedichtet. Auch
Neues findet Einzug in das Repertoire der rügenden Narren.
Schdäddle uffe, Schdäddle abe,
Holzepfl send siaß,
ond Hoagerlocher Mädle
haond so kromme Fiaß. (Haigerloch)
Empfindlich darf man als Angesprochener nicht sein, wenn die Narren
und "Maschker" die "Narrenweisheit" aufsagen.
Viele der Fasnetssprüche sind aus fastnachtsloser, entalkoholisierter
Sicht sexistisch, vulgär, frauen- und obrigkeitsfeindlich.
Manche der Verse bedienen sich der Fäkalsprache. Doch sie bedingen
zwangsweise eine spezielle Atmosphäre. Nur in der überhitzten,
mit Bierduft geladenen besonderen Stimmung des Fastnachtsgasthauses,
das an diesen Tagen meist die rustikalen Landhaustischdecken gegen
solche aus Plastik austauscht, haben diese Lumpereien und deftigen
Anzüglichkeiten ihre Berechtigung und fallen beim Angesprochenen
auf den Nährboden des Verständnisses. Außerhalb
dieses Biotops wären die Derbheiten und Schweinereien als solche
sofort zu identifizieren und könnten sich nicht unter dem Tarnmantel
der Narretei verstecken.
Die Frösch, die Frösch,
das isch e luschtich Chor,
es brucht sich kein rasiere,
sie henn jo keini Hoor. (Wolfach)
Manche dieser Strophen dienen lediglich zur Ankurbelung fastnächtlicher
Kommunikation auf der Straße und im Wirtshaus. Manche aber
sind Heischeverse, die dem Gabenheischen der Kinder dienen.
Überhaupt sind ganz speziell die Kinder Nutznießer der
Spendenfreudigkeit der Narren. Mit Eifer und Übereifer schreien
und krakeelen sie die Fasnetssprüchle bis zum Heiserwerden,
um dafür von den Narren mit allerhand Süßigkeiten,
Orangen und Würsten belohnt zu werden.
Ätsch, ätsch, ätschlibätsch!
Unsere Katz isch schäaner.
Unsere Katz hot Hoor am Buuch,
wie en Italiäner! (Stockach)
Die neue Sammlung zeigt den bisher größten veröffentlichten
Querschnitt von Fasnetssprüch, Fasnetliedli, Heische-
und Neckverse der Narretei in Südwestdeutschland. Sie sind
in der jeweiligen örtlichen Mundart wiedergegeben. Wulf WagerDas
Buch "FasnetsSprüch der schwäbisch-alemannischen
Narren", gesammelt von Wulf Wager, mit zehn Fotos von Ralf
Siegele ist im DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen neu erschienen.
Es ist zum Preis von 5 Euro im Buchhandel zu beziehen oder direkt
beim Verlag mit dem Bestellschein auf der zweiten Umschlagseite
dieses Heftes.
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