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Geneigter Leser,

am 30.1.02 tickerte eine Meldung der Deutschen Presseagentur ins Haus:
 
„Fasnet in Berlin
Am Nachmittag Besuch beim Bundeskanzler, abends Treffen in der Landesvertretung
 
Berlin - Alles klappte wie geplant. Pünktlich um 19.11 Uhr zog die bunte Truppe im Häs und Fransenkleidle am Mittwochabend lärmend in die Baden-Württembergische Landesvertretung in Berlin ein. Zum zweiten Mal zeigten Hansele, Hexen und Teufel in fantasievollen Kostümen und Furcht erregenden Masken in der Hauptstadt, wie es bei der schwäbisch-alemannischen Fasnet zugeht. Nur der Hausherr Minister Rudolf Köberle war nicht erschienen, um seine Gäste zu begrüßen. Der Grund stellte sich bald heraus. Nicht wichtige politische Geschäfte hatten den Bevollmächtigten des Landes aufgehalten, er hatte sich verkleidet unter die Narren gemischt. Als eine der Aulendorfer Eckhexen aus seiner Heimatregion gelangte der aus Fronhofen im Kreis Ravensburg kommende Köberle unbemerkt auf die Bühne. Erst dann gab er sich zu erkennen und trug mit einer Büttenrede in bestem Schwäbisch zur guten Stimmung bei.
Dass die Narren das Regiment in der Landesvertretung übernommen hatten, konnten die etwa 1.000 Gäste bereits bei der Ankunft nicht übersehen. Der noch auf dem Vorplatz stehende Weihnachtsbaum war in den «Stammbaum aller Narren» umfunktioniert worden. Den hohen Stamm schmückten Bänder, «Saublodere» - aufgeblasene Schweineblasen - und Insignien von schwäbisch-alemannischen Zünften.
Geltentrommler aus Waldshut mit Waschzubern als Instrumenten, Gschellnarren aus Wellendingen oder Hopfennarren aus Tettnang gehörten zu den 150 Mitwirkenden aus 25 Zünften. Die Zuschauer begleiteten ihren Aufzug begeistert mit laut knarrenden Holzrätschen. Drei «Hoorig Bär» aus Singen, wilde Gestalten in Erbsstroh, hatten schon am Nachmittag bei Bundeskanzler Gerhard Schröder für Aufmerksamkeit gesorgt. Zu den schönsten Gestalten zählten die fünf Eulen aus Seelbach. Ihre Federn seien nicht echt, sondern aus einer Schmuckfabrik, wurde versichert.
Besonders geehrt konnte sich der österreichische Botschafter Markus Lutterotti fühlen. Er wurde von der Bockzunft Stetten zum schwäbisch-alemannischen Narren gekürt. Den Bockschlag mittels eines Hammers mit Fell und Hörnern, der mit einem lauten Knall auf seinen Kopf niederging, ertrug er gelassen.
Für Minister Köberle wurde es dagegen unangenehm. Er wurde von der Narrenzunft Pfullendorf unter Anklage gestellt. Er sei ein Apfelfresser, habe eine windige Figur und sei als früherer Staatssekretär für Jugend und Sport vielleicht sogar noch schuld an dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler bei der «Pisa»-Studie, musste er sich vorhalten lassen. Zwar war es für Köberle überhaupt kein Problem, sich zu verteidigen. Doch es nutzte ihm nichts, er musste - immer noch im Hexenkostüm - auf die Streckbank. Er überstand die Prozedur unbeschadet.: Narri-Narro!“
 
Da frag ich mich als gewöhnlicher Narr und Redakteur: Was um Gotteswillen haben schwäbisch-alemannische Narren in Berlin zu suchen?

Herzlichst Ihr
 
Wulf Wager
Redaktionsleiter


 

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