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Geneigter Leser;
von Hans Well
Weder Kitsch noch Museum
- eine persönliche Standortbestimmung in Sachen Volksmusik
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Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir das erste mal mit Gerhard
Polt im ehrwürdigen Hamburger Schauspielhaus auftraten, als
erstes Stück einen schönen Landler spielten und das eigentlich
als reserviert geltende Hamburger Publikum dabei wie entfesselt
zu schunkeln begann. Diese ironische Reaktion, wie ein pawlowscher
Reflex ausgelöst durch bayerische Musik, relativierte sich
dann zwar sehr schnell mit dem nächsten Lied, doch solche Klischeevorstellungen
begegnen uns auch in Teilen Bayerns immer wieder. Auf der einen
Seite das Image der Volksmusik als erzkonservativ bis reaktionär,
auf der anderen das Deppenbild der Volkstümlichen. Die mangelnde
Fähigkeit vieler Menschen, Volksmusik von volkstümlicher
Musik zu unterscheiden, hat hauptsächlich regionale und mediale
Ursachen. Bayern ist das einzige Land Deutschlands, in dem noch
eine traditionelle Volksmusik existiert, im übrigen Deutschland
ist sie längst verlorengegangen. Durch das Wissen um das Original
ist die Abneigung gegen volkstümliche Musik in Bayern auch
am weitesten verbreitet.
Tümlich kommt von so tun als ob
Eine entscheidende Rolle für die Verwechslung von Volksmusik
und Kitsch spielen die Medien. Grand Prix der Volksmusik, Schlagerparade
der Volksmusik und viele andere Sendungen der volkstümlichen
Unterhaltung vermischen ja ganz bewußt beide Begriffe, impliziert
das Wort Volksmusik doch Volksverbundenheit und die Legitimation,
im Namen des Volkes zu singen. Die volkstümliche Musik meidet
generell den Widerspruch zur Masse oder herrschenden Meinung. Tümlich
kommt - habe ich nachgelesen - von so tun als ob. Nicht das Volk
tut hier allerdings "so als ob", sondern eine verkaufsinteressierte
Industrie in bester Kumpanei mit öffentlich-rechtlichen und
privaten Sendern, indem sie ein Surrogat an verlogenen Glücksgefühlen
und abgefeimten banalen Musikklischees verbreiten. Der Unterhaltungschef
des BR bei einer Tagung 1992 bei den Tutzinger Medientagen zu diesem
Thema: "Je schwerer und je kälter die Menschen die Welt erleben,...umso
mehr entsteht das Bedürfnis bei vielen Zuschauern, dafür
ein Äquivalent zu bekommen...Texte und Melodien sollen für
wenige Stunden vom Druck der Realität ablenken." Von Problemen
ablenken - so beschreibt man normalerweise bei Süchtigen, warum
sie Rauschmittel nehmen. Das Prinzip dahinter ist das der totalen
Unterhaltung, durch die Einführung der privaten Medien erst
richtig in den Galopp gebracht.
Die Substanz volkstümlicher Musik besteht hauptsächlich
aus musikalischen und textlichen Klischees, mit leichter Dialektfärbung
versehen, um den Umsatz durch sprachliche Exotik nicht einzuengen,
und ist dem Schlager und der Popmusik wesentlich näher als
originärer Volksmusik. Sie lebt, wie die Schlagerbranche, vom
Bedürfnis ihrer Konsumenten nach Illusionen und einer heilen
Welt, zeitlich und ideell ist sie meist in den Grenzen Großdeutschlands
von 1938 beheimatet. Das Frau-Mann-Rollenverhalten in den Texten
ist traditionell, der Alkohol spielt in vielen Liedern die Rolle
des Stimmungsmachers, nicht positive Realitätsbezüge (Miesmacherei)
sind unerwünscht und wenn, dann nur stark verkitscht üblich.
Die Phantasietracht steht ähnlich wie der Trachtenanzug und
das Dirndl bei Politikern als optisches Signal für Heimatverbundenheit
und Naturnähe. Permanentes Mitklatschen erzeugt beim Publikum,
mit dem sich der Moderator bei allen Gelegenheiten zu verbünden
versucht, ein Gemeinschaftsgefühl. Zwar hat diese Musik einen
traditionellen Anstrich in der Instrumentierung, im Arrangement,
in der Rhythmik. Doch alle diese Elemente werden hochartifiziell
und synthetisch mit neuen Elementen vermischt.
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Musik mit Ersatzstoffen und Geschmacksverstärkern
Charakteristikum des musikalischen Heimatkitsches ist eine postmoderne
Zitatkollage, die einen sofortigen Wiedererkennungseffekt garantieren
soll. Die Sehnsucht nach Heimat, ein Grundbedürfnis des Menschen,
wird gnadenlos ausgenutzt. Mit den volkstümlichen Darstellern
dieser Heimat kann man sich identifizieren. Hier wird deutsch gesungen,
wie Marianne und Michael bei ihren Auftritten unter tobendem Applaus
betonen - als ob das Gebotene dadurch besser würde. Volkstümliche
Musik ist die musikalische Parallele des röhrenden Hirsches
in der Malerei, zu Jodlerbalkonen und urigen Wagenrädern an
Eternitwänden um thuyenumzäunte Doppelhäuser. Bei
den Zillertaler Schürzenjägern ist am klarsten zu erkennen,
wie sie - die Zielgruppe der inzwischen gealterten Rock-Generation
im Visier - ganz nach Schema F Elemente volkstümlicher Musik
mit Phrasen aus der Rockmusik vermischen. Wer durch das Zillertal
fährt, der sieht, wie symbiotisch die Musik der Zillertaler
Schürzenjäger und der ganze Stadlkitsch zu den Betonjodlerbettenburgen
in derartig durch Massentourismus zerstörte Täler paßt.
Diese Musik ist Ausdruck einer Fast-Food-Gesellschaft, ein musikalischer
Big Mac, mit Ersatzstoffen und Geschmacksverstärkern aus der
Retorte produziert und wie das Genfood dem Original nachempfunden.
So wie immer mehr Kinder Tomatenketchup für das Original -
die Tomate - halten, so wird durch den Dauerbeschuß a la Musikantenstadl
das Original dieser Musik immer mehr in den Hintergrund gedrängt.
Fast alle volkstümlichen Gruppen schmücken sich bezeichnenderweise
mit dem Titel Original - wohl wissend, daß dies in einer gerade
daran armen nivellierten Mediengesellschaft als Qualitätskriterium
gilt und diese Musik und ihre Protagonisten genau das Gegenteil
von original sind. Das original Trompeten-Solo, mit dem Stefan Mross
den Grand Prix der Volksmusik gewann und das den Moderator Karl
Moik zu öffentlichen Tränen rührte, schmetterte konsequenterweise
nicht aus seinem Trompeten-Playback, sondern kam ursprünglich
von einem Original Studiomusiker. Das Playback ist überhaupt
das Original- Musikinstrument der lustigen Musikanten.
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Endlich: das Kufsteinlied auf koreanisch!
Als wir in Südkorea im Rahmen einer vom Goetheinstitut organisierten
Tournee spielten, war für uns interessant zu beobachten, wie
sehr das deutsche Kulturgut auch dort von volkstümlichen Klischees
verklebt ist. Jodlerlokale mit Alpsjodler gibt es gleich mehrere
in Seoul, und Teile des Publikums waren zutiefst überrascht,
daß bayerische Musikanten ums Verrecken nicht das Kufsteinlied
und den Schneewalzer spielen, sondern diese - wie ein koreanischer
Musikprofessor es ausdrückte - "eigenartige schöne Musik".
In "Lotte World", dem koreanischen Disneyland, jodelt aus einer
Ecke permanent die volkstümliche Hitparade, und das Kufsteinlied
wurde gottseidank jetzt endlich auch ins Koreanische übersetzt.
Kein Wunder bei dem, was vom volkstümlichen Wirtschaftsstandort
Deutschland so über den Äther schunkelt. So ist z.B. Stefanie
Hertel in der global ausgestrahlten Deutschen Welle in einer Kultursendung
zu sehen, wie sie mit leicht wiegendem Rhythmus ziemlich zusammengezwickt
als alpenländisch gewandetes Mädel aus Thüringen
die Schlichtheit volkstümlicher Texte unter Beweis stellt.
Der Auftritt des Musikantenstadels 1996 in Südafrika ist schon
jetzt in die Annalen der alpenländischen Fernsehkulturgeschichte
eingegangen und wurde inzwischen mindestens zweimal wiederholt.
Während der Sendung hielt mich nur das Prinzip Hoffnung aufrecht,
daß die zahlreichen Bildstörungen auf Kabelattacken irgendwelcher
Pygmäenstämme zurückzuführen waren, die sich
diesen vom BR zu verantwortenden Angriff auf die menschliche Kultur
nicht länger mitanschauen wollten. Eine Live-Sendung von über
zweieinhalb Stunden aus Südafrika, in der dann nur Voll-Playback
gesungen und musiziert wird, ist - ganz abgesehen von den Kosten
- schon irgendwie ziemlich absurd. Noch schlimmer aber war, daß
diese Peinlichkeit live im Südafrikanischen Fernsehen übertragen
wurde. Was werden sich wohl die Zulus dabei gedacht haben, als Heino
Schwarzbraun ist die Haselnuß playbackte und die Raabtaldirndln
erkennbar synchronjodelten? Wahrscheinlich haben sie sich gewundert.
Warum nach den "Stadln" in Australien, Kanada, Moskau und Kapstadt
als nächstes nicht eine Livesendung mit Marianne und Michael
von der Raumstation "Mir san Mir", um das Bild vom Alpenländischen
Kulturweltburger auch Außerirdischen zuteil werden zu lassen?
Die Kulturarbeit der Goethe-Institute wird mit jeder dieser Sendungen
um Jahrhunderte zurückgeworfen, so daß das Schließen
vieler Institute insofern nur konsequent ist. Freilich hat es Kitsch
zu allen Zeiten gegeben. Bemerkenswert scheint mir allerdings die
Dominanz dieser stupiden, teilweise debilen Musik, ohne daß
offensichtlich der sonst nicht unbeträchtliche politische Einfluß
im Interesse einer vielfältigeren kulturellen Selbstdarstellung
geltend gemacht wird.
Wer hier auf die Einschaltquoten verweist, sollte an Huxleys Zukunftsvisionen
erinnert werden: "Wenn sich eine Kultur in Trivialitäten zerstreut,
wenn öffentliches Reden (Singen) zu einer Art Baby-Gestammel
verkommt, kurzum, wenn sich ein Volk in ein Publikum von Zuschauern
verwandelt...,dann ist ein solches Land aufs höchste gefährdet
und das Absterben seiner Kultur zeichnet sich ab." Ohne gleich den
Untergang des Abendlandes beschwören zu wollen: Der Niedergang
eines qualitativ guten und vielfältigen Volksmusikerbes und
seine Ablösung durch einen kitschigen 0815-Ersatz ist leider
eine traurige Tatsache.
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Echte Volksmusik wird andachtsmäßig zelebriert
Was aber ist mit der "echten" bayerischen Volksmusik? Die traditionelle
Volksmusik ist von ihrem Selbstverständnis her genau das Gegenteil
der Volkstümlichen und überläßt ihrer Namensklitterin
ohne die leiseste Gegenwehr mit angewiderter Verachtung das Feld.
Trotz intensiver Pflege durch Heimat- und Volksmusikpfleger siecht
sie ziemlich schwerkrank vor sich hin. Unspektakulär ist ihre
Selbstdarstellung und Unterhaltungselemente werden von den "hundertprozentigen
Volksmusikpäpsten" - von denen es eine ganze Menge vor allem
in führenden Positionen gibt - generell gleichgesetzt mit Show-Schnickschnack
und sind deshalb streng verpönt. Echte Volksmusik soll andachtsmäßig
zelebriert werden, Humor gilt als Sakrileg.
Die Texte und Stückeln der "gepflegten" Volksmusik sind die
Zierde jedes Bauernhofmuseums. Einfach, geradlinig und bäuerlich,
also echt bayerisch, ist das Bild vieler Volksmusiker von sich selbst.
Sie pflegen diese Musik in dem Bewußtsein, letzte Mohikaner
zu sein, auch wenn sie tagsüber bei Siemens oder der City Bank
arbeiten. Das Dorf wird von der Volksmusikpflege und ihren Aktiven
vorwiegend in der Kirche gelassen, Frömmigkeit und s`bayerische
Herz sind stark ausgeprägt - der Unterleib wird meist vergessen.
Andacht ist die richtige Stimmung bei einem Hoagascht in den Pfarrheimen
und Volksbildungsstätten. Von Knechten und Mägden handeln
die Lieder, vom schönen Fruahjohr, von Fuhrleuten, Rössern,
Bauern und dem Herrgott. Wie bei volkstümlichen Musikern ist
eine eigenartige Scheu zu konstatieren, die Welt so zu sehen, wie
sie ist. So singen die unzähligen Dreigesänge halt am
liebsten weiter über Scherenschleifer, Hirtabuam, Mägde
und Knechte statt über zünftige Siemensler. Auf de Oima
gibt`s Koima und keinerlei Massentourismus oder Massentierhaltung
in den Tälern. Hauptsache, im Lied ist das Altmühltal
kein Altmühlkanal. Man muß diese Bezüge zur Jetztzeit
bestimmt nicht bierernst bringen, aber das völlige Ignorieren
jeglicher Realität führte zum Austrocknen und zum Museumszustand
der Volksmusik.
Schade drum! Es liegt ja soviel Kraft, Witz und Schönheit in
dieser Musik, daß es schon weh tut, ihren Niedergang beobachten
zu müssen. Die traditionelle Volksmusik ist tausendfach vielfältiger
als der einfältige volkstümliche Kitsch. Natürlich
gibt es auch schlechte unter den "echten" Volksliedern, aber sie
sind nie verlogen und bloß für einen schnellebigen Supermarkt
hergestellt. Daß sie oft so fad gesungen werden, liegt an
den Gruppen, die immer die gleichen Stücke auswählen und
vor allem an den Sängern, denen die Reinheit des Dreiklangs
wichtiger ist als die Lebendigkeit und Gaudi beim Singen. Von großer
Bedeutung dafür, daß ein so reichhaltiger Volksliedschatz
erhalten geblieben ist, waren zweifellos die großen Sammler
wie Kiem Pauli, Kurt Huber und Wastl Fanderl, um nur die populärsten
zu nennen. Trotzdem darf man nicht übersehen, daß sie
aus "volkspädagogischen" Gründen einen wichtigen Bereich
von Liedern ausschlossen. Der Wert ordinärer, deftig erotischer
oder obrigkeitsfeindlicher Lieder wurde nicht erkannt. Teils wurden
sie gar nicht gesammelt, wodurch ein verfälschtes, geschöntes
Bild des Volkes geschaffen wurde, teils weigert sich eine prüde
Volksmusikgemeinde, solche Lieder wahrzunehmen. Ein Lied wie "Es
wollt`ein Bauer früh aufstehn" aus dem Glogauer Liederbuch
des 16. Jahrhunderts wäre in seiner Deftigkeit und Aufmüpfigkeit
("Der Pfaff der schrie o Schreck o Graus und hielt den Arsch zum
Fenster raus") auf einem Volksmusiktreffen heute absolut undenkbar.
Solche Lieder und Texte, die Aggressionen und Wutgefühle gegen
weltliche und geistliche Obrigkeiten ausdrückten ´und
früher ebenso verbreitet waren wie "schöne" Lieder, fielen
fast gänzlich unter den Tisch. Wenige erkannten wie Georg Queri,
der in seinem Buch "Kraftbayerisch" Haberfeldtreiben, erotische
Lieder und Gstanzl aufzeichnete, den Wert solcher Lieder als ungeschminkten
Ausdruck des Volkes. Dadurch, daß inzwischen die meisten großen
Volkssänger wie der Roider Jackl, Kraudn Sepp, Weiß Ferdl,
Josef Eberwein oder die Geschwister Simböck aus dem Innviertel
gestorben sind, hat die Volksmusik die letzten Persönlichkeiten
verloren, die noch Volksliedtexte schrieben und originell vortrugen.
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Die Voraussetzungen sind ungünstiger geworden
Eine abgestorbene Volkskunst wird leider auch durch Pflege nicht
viel lebendiger. Die Voraussetzungen dafür haben sich ja auch
immer ungünstiger entwickelt. Es gibt keine Wirtshäuser
mehr in den Dörfern, statt dessen Thuyenzäune und Fernseher.
Die Lehrer haben sich als Träger einer dörflichen Kultur
schon längst zurückgezogen. Ihren Teil zum Verschwinden
der Volksmusik trägt sicher auch die musische Erziehung an
den Volksschulen bei. Singen war für unseren Vater, der als
Rektor einer Dorfschule mit den Kindern sehr viel musizierte, genauso
wichtig wie Rechnen. Den wenigen Lehrern, die überhaupt noch
Kinderlieder wie "Henderl Pipi", "Hinter meim Vodern sein Stodl"
und was wir als Kinder so lernten, kennen, läßt der Leistungsdruck
und das Kürzen musischer Unterrichtsstunden heute weniger Spielraum.
Die Bereitschaft, sich nach dem Unterricht am Nachmittag noch die
Last von Kindersinggruppen aufzubürden, ist kaum mehr vorhanden.
Außerdem wohnen ja viele Lehrer gar nicht mehr in dem Dorf,
in dem sie unterrichten, was die früher übliche Bindung
an das kulturelle Leben dort stark reduziert.
Eine große Schwierigkeit bedeutet das Verschwinden des Dialekts,
der in seiner regionalen Vielfalt ein wichtiges Merkmal der Volkslieder
ist. Bei einer Unterhaltungssendung des Bayerischen Rundfunks kürzlich
sagten "Dingsda"-Kinder zur Beschreibung der Moderatorin Carolin
Reiber: "Das ist doch die, die immer so bairisch spricht." Wer Carolin
Reiber schon einmal erlebt hat, weiß, daß sich ihr bairisch
auf "gell" und das Wort "bißl" beschränkt. Aber auch
unter den "Dingsda"-Kindern war kein einziges, das nur annähernd
einen bayerischen Dialekt sprach. Vielleicht wäre das Singen
bayerischer Kinderlieder auch eine Möglichkeit, die - wie uns
immer wieder bei Auftritten in ganz Deutschland versichert wird
- so schön klingende bayerische Sprache den Kindern wieder
näherzubringen.
Die neue Volksmusik aus der Kleinkunstszene In den Siebziger und
Achtziger Jahren haben sich in Münchner Kleinkunstbühnen
verschiedene Gruppen herauskristallisiert, die auf der Tradition
bayerischer Volkssänger und Volksmusikanten aufbauten. Diese
Entwicklung wäre ohne die Liederbücher und gesammelten
Schätze eines Kiem Pauli oder Wastl Fanderl nicht denkbar gewesen.
Manche dieser Gruppen - wie unsere auch - engagierten sich zunächst
vor allem im Umweltbereich, zum Beispiel gegen Projekte wie Wackersdorf.
Diese Gruppen waren Teil einer musikalischen Kleinkunstszene Münchens
- die es heute leider nicht mehr gibt -, aus der sich die sogenannte
neue Volksmusik entwickelte. Auch in diesem Bereich gibt es, wie
bei jeder Musik, gute und schlechte. Ich glaube aber, daß
vor allem diese Entwicklung eine Chance für die Fortsetzung
einer volksmusikalischen Tradition bedeuten kann, weil Texte und
Inhalte aktualisiert werden und wieder mit der Wirklichkeit und
dem jetzigen Leben zu tun haben und somit auf der Höhe der
Zeit sind. Damit bekommt ein größerer Teil vor allem
jüngerer Leute wieder einen Zugang zur Volksmusik - aber auch
jene, die im Hamburger Schauspielhaus bei unserem Ländler zu
schunkeln anfingen. Natürlich gibt es auch bei der "neuen"
Volksmusik die Gefahr, daß sie sich durch die Marktmechanismen
einer originalitätssüchtigen Gesellschaft verbiegen läßt.
Aber sie trägt noch am ehesten die Möglichkeit in sich,
der Bedeutung des Begriffs Volksmusik wieder gerecht zu werden.
Hans
Well ist der Textautor der Biermösl Blosn, zu der daneben seine
Brüder Michael und Christoph gehören.
© Hans Well / Kultusministerium München 1997
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