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Karl-Heinz Rahm

Das jagdliche Brauchtum
Ein Streifzug durch die traditionellen Gepflogenheiten der Jäger


Karl-Heinz Rahm ist leidenschaftlicher Jäger und Leiter der Trachtengruppe des Kübelesmarkts in Bad Cannstatt. In seinem Beitrag gibt er Einblicke in ein jahrhundertealtes Brauchtum.
Das jagdliche Brauchtum ist so alt wie die Jagd selbst. Der Mensch der Steinzeit war vom Sammler zum Jäger geworden. Die Jagd war im Paläolithikum Grundlage der menschlichen Existenz. Ackerbau und Viehzucht waren noch nicht entwickelt. Hatte die Horde Erfolg auf der Jagd, so war für alles gesorgt, denn das erbeutete Wild lieferte nicht nur Nahrung, sondern auch Kleidung und Material für die Herstellung der notwendigen Gebrauchsgegenstände in Form der Zähne, Knochen und Geweihe, kurz, es lieferte alles, was der damalige Mensch benötigte.
 
Wenn wir das Leben der Eskimos, soweit sie noch nicht von der Zivilisation beeinflußt sind, betrachten, so können wir uns ungefähr eine Vorstellung der Lebensweise unserer ältesten Vorfahren machen. Auch für den Eskimo ist die Jagd alles. Wenn der Seehund ausbleibt oder der Lachsfang nicht gelingt, so bedeutet das Hunger, ja den Tod für die ganze Sippe. Nach unserem spärlichen Wissen um das Leben der vorgeschichtlichen Menschheit können wir vermuten, daß das Brauchtum bei der Jagd eine gewisse Rolle gespielt hat. Wir haben in diluvialen Aufschlüssen bereits durchbohrte Zähne von Wildpferd, Wisent, Hirsch und Wolf gefunden, die zweifellos als Schmuck, etwa als Halskette, Verwendung gefunden haben. Ja, an der Spitze durchbohrte Wisenthörner und ausgehöhlte Mammutzähne können als Signalhörner gedeutet werden, so daß wir annehmen müssen, daß damals schon wie heute Anordnungen des Leiters der Jagd mit Hornrufen vermittelt oder Versprengte wieder zusammengerufen wurden, da die menschliche Stimme ohne dieses Hilfsmittel nicht weit genug zu hören war. Die ältesten schriftlichen Berichte über unsere
Olifant,  zur Großansicht aufs Bild klicken, 20 KB

Olifant aus dem Jahre 1683, Prager Nationalmuseum.

Foto aus: Lemke/Stoy, Jagdliches Brauchtum

germanischen Vorfahren geben uns Caesar, Tacitus, Plinius u.a. Begreiflicherweise sind diese Berichte sämtlich durch die Brille des sich kulturell viel höher fühlenden Römers gesehen und enthalten nur unvollkommene Angaben über germanische Gebräuche. Zwar wird die Jagd verschiedentlich erwähnt, und bezüglich des Brauchtums schreibt Caesar z.B., daß der germanische Jüngling besonders geachtet und berühmt sei, der eine möglichst große Zahl selbst erbeuteter Hörner des Urstieres in seinem Besitz hatte. Trophäe und Qualität getöteten Wildes hatten also offenbar damals bereits eine gewisse Bedeutung.
Die Geweihe von Hirschen scheint man allerdings in germanischer Zeit nur zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet zu haben. Aber in Zeiten, in denen wehrhaftes Wild, wie Wisent, Auerochse und Bär noch Beute des Jägers war, spielte der Hirsch nicht die Rolle wie später, obwohl sehr bald das Hirschgeweih zum Symbol männlicher Kraft wurde. Aus Gräberfunden, alten Sagen können wir das Bild der Jagd unserer Vorfahren noch etwas ergänzen. Einzelheiten werden uns bereits über die Jagd der Donaukelten berichtet. Der griechische Schriftsteller Arrian (95-180 n. Chr.) beschreibt die im Donauraum wohnenden Kelten sehr genau und gibt eingehende Schilderungen ihrer Jagdausübung. Diese Donaukelten waren bereits waidgerechte Jäger in unserem Sinne. Sie jagten weniger wegen des Wildbrets, sondern vor allem aus Passion und gestalteten die Jagd zu einem Vergnügen, das besonderen Regeln und Bindungen unterlag. Die beliebteste Jagd war die Hasenhetze zu Pferd. Hierbei mußten die schnellen Windhunde, die mit veltris oder vertragus, auch veltragus, bezeichnet wurden, die Hasen fangen und lebend ihrem Herrn bringen.
Es ist sicher, daß die Jagdausübung der Germanen von den Kelten beeinflußt worden ist. Die hohe Auffassung vom Waidwerk, die die Kelten hatten, färbte auf andere Völker, mit denen sie in Berührung kamen, ab. Die Jagd wurde immer mehr ein ritterliches Vergnügen und als solches mit Bräuchen und Sitten, ja mit Zeremonien umkleidet, deren genaue Kenntnis und Brauchtum für einen richtigen Jäger erforderlich war. Das Rotwild, der "edele Hirsch", rückte mit dem Aussterben des Großwildes immer mehr in den Vordergrund des jagdlichen Interesses. Nähere Einzelheiten hierüber finden wir in den leges barbarorum des frühen Mittelalters. In diesen werden auch die Hunderassen geschildert, die in der damaligen Zeit zur Jagd benutzt wurden. Eine große Rolle spielte der Leithund, der leitihund, "qui in legamine praecedens sequentum hominem ducit": der, am Leitseil vorgehend, den nachfolgenden Menschen führt. Die Leithund-Arbeit war also schon genau bekannt. Außerdem werden der spurihunt und der triphunt erwähnt. Unter spurihunt haben wir wohl ebenfalls einen am Riemen arbeitenden Leithund zu verstehen.
 
Eine bedeutende Rolle spielte das Jagdhorn. Es war bis zum Beginn des 19. Jahr-hunderts Zeichen des "gerechten Jägers". Die Jagdbediensteten trugen ein Horn aus Ochsen- oder Büffelhorn, während die Edlen ein Signalhorn aus Elfenbein an der rechten Seite zu tragen pflegten. Im Altfranzösischen wird dieses Elfenbeinhorn Olifant genannt.
Das Jagdhorn gilt als unantastbar. Als der Herzog Begon - so wird in einer französischen Darstellung des 12. Jahrhunderts berichtet - sich auf der Jagd hinter einem angeschweißten Keiler, der ihm seinen Leithund geschlagen, verirrt hat, trifft er auf einen Forstwart, der ihn nicht kennt und seinen Olifanten betastet. Der Herzog streckte den Verwegenen mit einem Schlage nieder.
 
Mit der Einrichtung der Bannforste im 8. bis 14. Jahrhundert fiel das Jagdrecht in weiten Gebieten den Königen zu, um später größtenteils auf die zahlreichen geistlichen und weltlichen Fürsten überzugehen. Soweit schon ein Eigentum an Grund und Boden entstanden war, bedingt dies doch noch kein Jagdrecht des Eigentümers auf seinen Ländereien. Im Zuge der angedeuteten Entwicklung wurde ihm jenes Recht in zunehmendem Umfang genommen, was gewöhnlich mit einer Beschränkung sonstiger Nutzungsrechte verbunden war. Karl der Große hatte im sog. Brühl bei Aachen bereits einen ausgedehnten Wildpark und die Jagdbräuche, die gepflegt wurden, beeinflußten die gesamte Jagdausübung der damaligen Zeit. Zweifellos waren diese Bräuche und Sitten größtenteils gallischen Ursprungs; so wie die Kelten die Jagdgebräuche der Germanen beeinflußten, so wirkt der gallisch-romanische Einfluß auf die Jagd in Deutschland bis ins 18. Jahrhundert.
 
Ein Brauchtum besonderer Art gibt es bei der Beizjagd, d.h. das Jagen mit "abgetragenen" Greifvögeln, vor allem Falken und Habichten. Diese individuelle Form der Jagdtechnik existierte bereits vor Bildung des griechisch-römischen Kulturkreises im Orient. Allerdings haben Griechen und Römer keine Falkenjagd betrieben (K. Lindner).
 
Zu einer hochentwickelten Kunst ist die Beizjagd in der Zeit des glückhaften Kaisers Friedrich II. (um 1200) betrieben worden. Als Zeugnis ist sein berühmtes Buch "De arte venandi cum avibus" (Von der Kunst der Jagd mit Greifvögeln) erhalten. Mit neuen Errungenschaften wurde die Beizjagd verfeinert und hat dann mit Kaiser Maximilian I. (um 1500) eine außergewöhnliche Blütezeit erlebt. Das Brauchtum mit ausgeklügelten Raffinessen war hochinteressant und lebt noch heute unter den Falknern, die sich im "Deutschen Falkenorden" (DFO) zusammengeschlossen haben, fort.
 
Einstige Jägerausbildung
 
Ein Lehrling, der die Jägerei erlernen wollte, mußte drei "Behänge" oder Lehrjahre aushalten, bevor er wehrhaft gemacht wurde, d.h. den Hirschfänger und den Lehrabschied erhielt. Im ersten "Behang" wurde der Jägerjunge auch Hundejunge genannt, seine Tätigkeit bestand in erster Linie in der Pflege und Fütterung der Hunde, insbesondere der Leithunde. Im zweiten Jahr hieß er Lehrbursche und durfte bereits das Jagdhorn an der Hornfessel tragen, was ihm im ersten Jahr nicht erlaubt war. Er wurde nun von seinem Lehrherrn, dem sog. Lehrprinz, in allen waidmännischen Gebräuchen und in allen Zweigen der Jagd ausgebildet, dadurch wurde er hirschgerecht. Aber auch in forstlichen Fragen sollte er sich belernen, um so holzgerecht zu werden. Durch die Abführung des Leithundes und das Dressieren der Jagdhunde wurde er hundgerecht. Auch das Schießen mußte fleißig geübt werden, damit er schießgerecht wurde. Aber daß es auf das Schießen nicht allein ankam, wurde auch schon damals betont: "Denn wenn einer noch so gut schießen kann, versteht aber sonst nicht viel, so heißt er zwar Schütze, aber noch kein Jäger." Im dritten Jahr seiner Ausbildung wurde der Lehrling Jägerbursche genannt, und nach Beendigung der drei Behänge wurde er feierlich wehrhaft gemacht. Der Lehrprinz lud zu dieser Zeremonie seine Nachbarn und Freunde ein. Mit einer feierlichen Ansprache des Lehrprinzen an den Jägerburschen, der zur linken Hand seines Lehrherrn, mit Hornfessel und Hirschfängergurt angetan, stand, begann der Akt. Dann nahm der Lehrprinz mit der linken Hand den vor ihm liegenden Hirschfänger und hielt ihn vor sich, mit der rechten Hand gab er dem Jägerburschen eine Ohrfeige und sprach dabei: "Dies leidest du jetzt von mir, und hinfort nicht mehr, weder von mir noch von einem andern!" Alsdann wurde der Hirschfänger feierlich überreicht "nicht zu dem Ende, daß du es zu unnützen Händeln und Ungelegenheiten, sondern wozu es eigentlich gemacht, was vernünftig, redlich und rühmlich ist, nämlich zur Ehre der löblichen edlen Jägerey, seines künftigen Herrn, zur Beschützung seines und deines ehrlichen Namens, Leib und Lebens, am meisten aber auf Jagden führest und gebrauchest!" Alsdann wurde dem Jägerburschen der Lehrabschied überreicht oder auch nur gezeigt und am nächsten Morgen zugestellt; dieser Brauch ist wohl so zu erklären, daß man befürchtete, der neu gebackene hirsch- und holzgerechte Jäger könnte bei dem nun folgenden Examenstrunk seinen Lehrabschied, der für ihn ein wichtiges Dokument war, einbüßen. Der Jägerbursche steckte alsdann den Hirschfänger zu sich, bedankte sich in wohlgesetzter Rede, und die Anwesenden stießen in ihre Hifthörner, wünschten ihm Waidmannsheil und erkannten ihn als Kameraden an.
 
Trinksitten
 
Zahlreiche Trinksitten der Jäger haben sich bis heute erhalten. Der von der Jagd heimkehrende Jäger hatte nicht nur Hunger, wie uns in der Bibel von Esau berichtet wird, sondern vor allem großen Durst. So war es bei vielen Gelegenheiten üblich, daß die gesamte Jägerei aus einem großen Humpen trank, der reihum ging. Bei der Wehrhaftmachung des hirsch- und holzgerechten Jägers wurde ihm der Willkommenstrunk geboten. Nach größeren Jagden gab es festliche Schmäuse, bei denen nicht wenig getrunken wurde. Flemming erzählt uns, daß die Jagdburschen bei solchem Mahle den Willkommenstrunk dem Oberjägermeister brachten, der ihn dann dem Jagdherrn feierlich kredenzte. Sobald der Jagdherr trank, wurde von der ganzen Jägerei auf den Flügel- und Hifthörnern geblasen und dazu ein "Weydgeschrey" gemacht. Weiter heißt es bei Flemming: "bey solcher angestellter Herrschaftlicher Lust wird es niemahlen sonderlich wegen Bier und Wein so genau genommen, welches der Herrschaft zu hohen Ehren gereichet, und kann ein Jeder bey solcher Lust ein klein Räuschgen trinken." Daß die damaligen Sitten auch sonst nicht ganz milde waren, erfahren wir aus der Bemerkung: "Findet sich auch etwan unter den Zuschauern (nämlich des Jagdfestes) ungefähr ein schönes Kleppel- oder Grasse-Mädchen, da siehets umb die Jungfernschaft gefährlich aus und kan so genau nicht hergeben...".
 
Gerecht gestreckter Hirsch

Gerecht gestreckter Hirsch (Inbesitznahme und letzter Bissen).

Zeichnung: Laube
Jägerrecht
 
Ein uralter Brauch war das Jägerrecht. Man entschied das Große und das Kleine Jägerrecht. Die Jäger erhielten ursprünglich ihren Lohn in Naturalien. Diese bestanden in erster Linie in Teilen des erlegten Wildes. In den einzelnen Gegenden wurde das Jägerrecht verschieden gehandhabt. Im allgemeinen gehörten zum Großen Jägerrecht das Haupt, der Hals mit dem Vorschlag bis zur dritten Rippe, die Haut, das Geräusch, also Lunge, Herz, Leber, Nieren, der Mehr- oder Lungenbraten und das Feist. Vielfach wurde das Große Jägerrecht auf die Jägerei aufgeteilt, so daß die leitenden Jäger bis herauf zum Oberjägermeister einen bestimmten Anteil am Jägerrecht erhielten. Außer diesem Jägerrecht erhielten die Jäger je nach den Umständen und Verhältnissen pro Jahr mehrere Stücke Wild als Deputat. So bekamen in Tirol die Hilfsjäger jährlich zwei Gamsböcke, die sogenannten "Hosengams", weil sich aus der Decke die kurzledernen Hosen machen ließen. Auch Fallwild und vor allem gerissenes Wild stand den Jägern zu.
 
Höfisches Brauchtum
 
Die Bräuche, die sich bei den Prunkjagden des 18. Jahrhunderts herausbildeten, waren mehr ein höfisches Zeremoniell als eigentliches jagdliches Brauchtum . Die höfischen Jagdfeste, bei denen Hunderte von Menschen und Pferden mitwirkten, bei denen ein unerhörter Aufwand von Kostümen aller Art, bei denen Mummenschanz und allerhand Allotria getrieben wurden, waren keine Jagden mehr, sondern Ausfluß eines barocken Feudalismus, der mit der Französischen Revolution sein Ende fand.
 
Jägerhöfe
 
Besondere Pflege erfuhr das jadgliche Brauchtum an den Jägerhöfen. Schon frühzeitig stellte es sich als zweckmäßig heraus, die Jäger, die Hunde, die Falken, das Jagdzeug, die Netze und alles, was zur damaligen Jagd gehörte, in besonderen Gebäuden und Gehöften unterzubringen, um alles beieinander zu haben. Der Jägerhof unterstand einem Oberjägermeister oder Pürschemeister. Das Zusammenleben der Jäger im Jägerhof förderte naturgemäß ihr Standesbewußtsein, und die "Grüne Gilde" pflegte gemeinsam Jagdsitten und Bräuche.
 
Allgemeines
 
Die Jagd oder das Waidwerk ist edel und galt als adelig oder hohes Vergnügen. Der Jäger oder Waidmann zieht zur Jagd aus oder geht zur Jagd. Er führt als Gewehr Büchse, Flinte, Drilling, Doppelbüchse usw., sein Gewehr hat Brand, wenn es eine gut tötende Wirkung hat. Als blanke Waffen führt er die Saufeder, das Waidblatt, den Hirschfänger, das Waidmesser, den Nicker oder Knicker. Mit dem Waidmesser schärft er auf oder ab und nickt ein Stück Rehwild ab. Mit den übrigen blanken Waffen fängt er ab, entweder hinter dem Blatt oder auch bei Kahlwild mit dem Kälberfang auf dem Stich. Mit dem Waidblatt wird auch das Schloß aufgeschlagen. Das Absägen des Geweihes, Gehörns pp. wird Abschlagen genannt. Man erlegt ein Stück Wild, bringt es zur Strecke, streckt es gerecht oder legt Strecke, bricht es auf, zerwirkt es.
 
Der Gruß des Jägers ist Waidmannsheil, der Gegengruß lautet ebenfalls Waidmannsheil! Will der Jäger sich bedanken, z.B. für die Überreichung eines Schützenbruches oder für den Wunsch "Waidmannsheil" nach Erlegung eines Stückes Wild o.ä., so sagt er Waidmannsdank! Um jemanden zu ehren, wird ein Horrido ausgebracht, auf welches die Anwesenden dreimal mit joho antworten.
 
Jagdhunde
 
Der Jäger führt seinen Hund am Riemen, der an der Halsung befestigt ist. Er hängt mit dem Schweißhund auf der Fährte des zur Hohen Jagd zählenden Wildes am Riemen nach. Der Gebrauchshund sucht Niederwild frei verloren. Die Fährte kann warm oder kalt sein. Der Jagdhund bringt das Huhn, den Hasen, Fuchs usw. Der Hund steht im ersten, zweiten Feld, der Schweißhund hat ein, zwei, drei usw. Behänge hinter sich. Der Hund ist fährtensicher, spursicher, auch fährtenrein, er gibt Laut oder Hals, hat einen lockeren Hals, er kann Totverbeller oder Totverweiser sein. Ein vielseitiger Jagdhund muß ein guter Verlorenbringer sein, auch soll er gut vorstehen und hasenrein sein und Hühnern nicht nachprellen. Krankes Schalenwild stellt der Hund, gibt Standlaut.
 
Der Hund wird geführt bzw. abgeführt, er wird an- oder abgehalst, zur Hetze wird er angeschnallt, er fällt eine Spur oder Fährte an, er nimmt sie auf und arbeitet sie. Verliert er die Fährte, so hat er sich verschossen.
 
Jägerlatein
 
Vor längerer Zeit war einmal in der Tagespresse ein Aufruf erschienen mit dem Inhalt, die Jäger sollten nunmehr aufhören zu lügen, das Jägerlatein sei eines Jägers unwürdig. Der größte Aufschneider aller Zeiten, Münchhausen, der uns seine köstlichen Lügengeschichten geschenkt hat, über die Generationen von Menschen gelacht haben, hätte sich im Grabe herumgedreht, wenn er diesen Erguß gelesen hätte. Der köstliche Humor, der aus tausend unglaublichen Jagdgeschichten klingt, der Schalk, der durch die Erzählungen fabelhafter Jagdabenteuer lacht, der Witz, der darin liegt, einem in der Jagd Unerfahrenen hanebüchene Geschichten aufzubinden - ist nicht unehrenhaft, sondern "wo, daß sich die Balken biegen, der Oberförster herzhaft lügt", dort sind echte Waidmänner zusammen. Die Seebären spinnen ihr Garn, die Jäger erzählen Jägerlatein, d.h., sie geben lügenhafte, abenteuerliche Jagdgeschichten zum Besten, die jedoch glaubwürdig dargestellt sein müssen.
Schon die Assyrer erzählten Geschichten, deren Wahrheit zweifelhaft ist. Nach Röhrig wollen die Assyrer den Löwen dadurch überwältigt haben, daß sie ihm ein aufrecht gehaltenes Stück Holz in den Rachen stießen und ihm dann mit der in der anderen Hand geschwungenen Keule den Schädel einschlugen! Das klingt beinahe so, als wenn heute ein Jäger erzählt, er sei in den Karpaten von einem starken Bären auf seinem Hochsitz belagert worden, ein Gewehr habe er nicht bei sich gehabt, da sei ihm eingefallen, daß er einen Band moderner Gedichte in der Tasche trug, er habe dem Bären diese Gedichte laut vorgelesen, worauf derselbe vor Entsetzen aus der Haut gefahren sei - und so wurde der Erzähler auf wunderbare Weise gerettet!
 
Jägerlied
 
Schönsten Ausdruck findet die Freude und die Begeisterung des Jägers an Wald und Wild, an Hunde-Laut und Hörner-Schall, am edlen Waidwerk in der jagdlichen Dichtung und im Jägerlied. Das Jägerlied ist auch Volkslied.
Wir haben einen Schatz alter Jägerlieder, die so voll feiner Natur- und Wildbeobachtungen sind, die den Reiz der Jagd in so schöner poetischer Form ausdrücken, daß es ein Jammer ist, wenn die meisten Jäger diese schönen Lieder kaum noch auswendig kennen.
Ein Muster des Volksliedes nennt schon Herder das alte Jägerlied:
"Es blies ein Jäger wohl in sein Horn.
Und alles, was er jaget, das war verlor'n!"
Eine Pflegestätte des Jägerliedes waren und sind noch heute die studentischen Verbindungen an den forstlichen Lehrstätten.
 
Wartebruch

oben: Wartebruch
unten: Das Warten wurde aufgegeben.

Zeichnung: Laube
Bruchzeichen
 
Mit diesem Zeichen verständigten sich die erfahrenen Jäger unauffällig miteinander, ohne daß Unberufene es merkten. Die Bruchzeichen sind aber auch geradezu Symbol der gerechten Jägerei. Die Sitte, das gestreckte Wild, den Leithund und sich selbst mit Brüchen zu schmücken, ist uralt. Schon Tristan schmückte sich nach der Jagd mit einem Lindenbruch und gab auch dem Jägermeister einen solchen. In den ältesten Verordnungen über die Jagd, in denen die Wildfolge behandelt wird, ist das Markieren der Stelle, an der das kranke Stück auf fremdes Gebiet überwechselte, durch Bruchzeichen vorgeschrieben.
 
Letzter Bissen
 
Dem männlichen Stück wird ein Bruch quer durch den Äser bzw. durch das Gebrech gesteckt, der sogenannte "letzte Bissen". Dieser Brauch stammt aus der Frühzeit und bedeutet etwa so viel wie "Versöhnung mit dem erlegten Tier".
 
Schützenbruch
 
Ein Bruchzeichen das heute noch allgemein bekannt ist, ist der Bruch des Erlegers (Schützen). Ursprünglich wurde nach der Erlegung eines Hirsches oder starken Keilers ein Bruch an den Hut gesteckt. Heute wird dem Erleger jedes Stückes Schalenwild ein Bruch überreicht.
 
Jagdsignale
 
Fürst-Pless-Horn

Fürst-Pless-Horn

Hörnerschall und Hundelaut sind untrennbar mit der Jagd verbunden.
Das Jagdhorn ist ein unentbehrliches Hilfsmittel auf der Jagd, es hat sich aus den Bedürfnissen der Jäger von der Urzeit an entwickelt. Nicht nur der Schweißhundeführer, wenn er auf langen Strecken der Nachsuche in einem fremden Revier von den ihn begleitenden ortskundigen Jägern abkommt, sondern auch der Jagdleiter braucht ein Jagdhorn, um Beginn und Ende der Treiben anzuzeigen und Hinweise zur Verständigung für die Jagdteilnehmer zu geben. Deshalb müssen die Signale einheitlich bekannt sein und in ihrer Bedeutung erfaßt werden können. Diese Voraussetzungen haben nicht zuletzt juristischen Belang im Interesse der Sicherheit und Unfallverhütung.
 
Gefördert durch die Jagdverbände, hat das Jagdhornblasen in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung genommen. Fast in jedem Kreis gibt es heute Jagdhornbläsergruppen, die bei jagdlichen Anlässen auftreten und blasen. Vielfach werden außer den Jagdsignalen auch Märsche und andere Musikstücke unter Verwendung der Parforcehörner vorgetragen. Als Gebrauchs-Jagdhorn gilt heute das Pleßhorn. Es darf nicht mit dem Waldhorn verwechselt werden, das, mit Ventilen versehen, in der Orchestermusik vieler Opern und Konzerte von Anfang des 19. Jahrhunderts an Verwendung findet.
 
Das Jagdhorn der höfischen Jagd des 17. und 18. Jahrhunderts war das Parforcehorn mit seinen vielen Varianten. Es verlor zwischenzeitlich an Bedeutung, wird aber heute in der B-Stimmung bei besonderen Gelegenheiten zusätzlich verwendet. Es vermag mit fundierter Klangwirkung den Signalen und Fanfaren eine feierliche Ausstrahlung zu vermitteln. Vorbedingung ist natürlich, daß beim Blasen in der Gruppe auf eine saubere Stimmung der Instrumente untereinander geachtet wird. In der Pflege der Tot-Signale zeigt sich die Einstellung des Jägers zu dem von ihm gestreckten Wild, dem er mit dem Verblasen eine letzte Ehre erweist und es damit in eine innere und tiefere Beziehung zu sich selbst bringt.
 
Fürst-Pless-Horn

Parforcehorn (links), Sauerländer Halbmond (rechts)

So ist das Jagdhornblasen niemals Selbstzweck, sondern ein lebendiger Teil der Jagdausübung und unseres jagdlichen Empfindens.
Die Fürst-Pleß-Hörner und die Parforcehörner haben einen begrenzten Ton-Umfang. Die Noten sind in C (Dur) notiert, klingen jedoch in B (Dur), d.h. einen Ton tiefer, sind also B-Instrumente.
 
Strecken und Strecke legen
 
Nach dem Aufbrechen wird das Wild gestreckt oder zur Strecke gelegt. Ein einzelnes Stück Schalenwild, das auf der Pürsch erlegt wurde, wird auf die rechte Seite gelegt, also Herzseite nach oben, beim männlichen Stück wird das Haupt durch einen Ast aufrecht gestellt, um so den Kopfschmuck besser zu zeigen. Alsdann wird das Stück mit dem Inbesitznahmebruch gerecht verbrochen. Um ein gutes Auslüften des Stückes zu sichern, steckt man in die Bauchhöhle einige sperrige Brüche hinein.
 
Nach einer Treibjagd auf Niederwild
 
In der ersten Reihe liegen die Füchse, alle auf der rechten Seite, die Lunten nach oben gebogen. In der zweiten Reihe die Hasen, jeder zehnte ist eine halbe Hasenlänge vorgezogen, vom rechten Flügel anfangend; in der dritten Reihe Kaninchen; in der vierten Reihe die Fasanen und am linken Flügel der Fasanen diverses Flugwild, also etwa Schnepfen, Rebhühner, Tauben usw.
 
Verblasen der Strecke
 
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Jagdsignal “Fuchs tot”

Nachdem die Strecke gerecht gelegt ist und alles seinen Platz eingenommen hat , kann das Zeremoniell des Verblasens - es muß zu einem bewußt feierlichen Akt gestaltet werden - beginnen.
 
Tottrinken und Schüsseltreiben
 
Der Jäger ist einem Trunk im allgemeinen nicht abgeneigt. Von den ältesten Zeiten bis in unsere Tage sind Trinksitten mit der Jagd verknüpft.
Es gibt einen derben Jagdvers:
 
"Der Jäger, der nicht säuft,
Der Hund, der nicht läuft,
Und das Mädchen, das nicht stille hält -
Das sind die drei größten Wunder der Welt!"
 
Beim frohen Becherklang erlebt man noch einmal die ganze Jagd, bei Bier erzählt es sich besser und freier, bei Wein leuchten die Augen der Jungen vor Begeisterung, die der Alten in stiller Freude.
 
Jagdschmuck
 
Seit den ältesten Zeiten haben Jagdtrophäen dem Menschen als Schmuck gedient: Von der Halskette des Steinzeitmenschen aus Eberzähnen bis zur goldenen Hirschgrandelnadel. Es entspricht jagdlichem Brauchtum, nichts zu tragen, was man nicht selbst erbeutet hat, man schmückt sich nicht mit fremden Federn.
 
So rankt sich das Brauchtum von der Frühzeit bis in die Gegenwart um unser Waidwerk, vom Paläolithiker , der mit dem Speer, dessen Spitze aus Feuerstein, Knochen oder Geweih gefertigt war, der Fährte des Urhirsches folgte, bis zum Menschen des technisierten 20. Jahrhunderts, der mit Fernrohrbüchse und Auto jagt. Die Riten vor, während und nach der Jagd sind aus zweckbewußten, jagdlichen Handlungen entstanden, die dem Jagdwesen nicht nur ein besonderes - auch von der Öffentlichkeit respektiertes - Gepräge zu geben vermochten, sondern bis heute auch noch praktische Bedeutung haben.
Dieses Brauchtum wird sich weiterentwickeln; es liegt an den Jägern selbst, es in der dem deutschen Waidwerk würdigen Form zu pflegen, um ihm - dem Zeitgeschehen angepaßt - das erforderliche Ansehen zu erhalten.

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